Pressemitteilung: Shein, Temu und Co. – Produktsicherheit im Online-Handel durchsetzen
Am 23.10. debattierte das Europäische Parlament Produktsicherheit im Online-Handel mit besonderem Fokus auf Verbraucherschutz und unlauteren Wettbewerb bei Importen aus Drittstaaten. Anna Cavazzini, Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, kommentiert:
„Massenweise landen Produkte aus Drittstaaten durch Onlinehandel auf Plattformen wie Shein oder Temu direkt an der Türschwelle der europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher – Tendenz rasant steigend. Oft erfüllen sie nicht die hohen Binnenmarkt-Standards an Produktsicherheit und im Schadensfall haben die Geschädigten häufig keinen Zugang zu den Herstellern außerhalb der EU, die oftmals in China sitzen. Mit der immer größer werdenden Flut von Waren und einzeln verschickten Billigprodukten sind Zoll und Marktüberwachung verständlicherweise überfordert, wenn es um die Überprüfung unserer Standards geht.
Die EU hat bereits Maßnahmen zur Regulierung des Online-Handels ergriffen: Die große Zollreform wird derzeit verhandelt, die zum Beispiel vorsieht, dass auch Pakete unter dem Wert von 150 Euro zollpflichtig werden und Risikoprodukte leichter rausgefischt werden können. Und das Gesetz über digitale Dienste legt Online-Plattformen Regeln auf, damit sie zum Beispiel bei Kenntnis über illegale Produkte tätig werden und sie von ihrer Plattform nehmen müssen. Wir müssen aber feststellen, dass das bei Weitem nicht ausreicht.
Immer noch fallen nicht-EU-Unternehmen unter deutlich weniger Schutzmaßnahmen zur Produktsicherheit als europäische. Das verzerrt nicht nur den Wettbewerb, es gefährdet Verbraucherinnen und Verbraucher, die nicht unbedingt Einsicht haben, wo ihr Produkt herkommt. Hier müssen wir faire Wettbewerbsbedingungen herstellen und den Verbraucherschutz updaten. Das könnten wir zum Beispiel durch stärkere rechtliche und finanzielle Verantwortung der EU-Vertretung dieser Unternehmen erreichen, sodass sie die Papiere zu den Produktstandards checken müssen und im Zweifel Verbraucherinnen und Verbraucher eine Anlaufstelle haben, an die sich wenden können, wenn sie zum Beispiel ein chinesisches Unternehmen nicht ausfindig machen können. Das haben in der letzten Legislaturperiode leider die Konservativen verhindert.
Gleichzeitig muss die Europäische Kommission das Gesetz über digitale Dienstleistungen für die sehr großen Plattformen, zu denen AliExpress, Amazon, Temu, Zalando und Shein gehören, in Hinblick auf die Risikoanalyse für illegale Produkte vollständig durchsetzen. Auch könnte im Rahmen des DSA ein Netzwerk von professionellen Hinweisgebern, die auf illegale Produkte und Onlinehandel spezialisiert sind, eingesetzt werden, sodass Plattformen sich nicht unter dem Vorwand der Unkenntnis aus ihrer Verantwortung stehlen können. Online-Plattformen sollten schließlich die Verantwortung übernehmen, wenn sich niemand anderes in der Lieferkette ausfindig machen lässt und sie nachweislich ihre Auflagen im Gesetz für digitale Dienste und der Produktsicherheitsverordnung nicht einhalten.
Schließlich brauchen Marktüberwachungsbehörden mehr Ressourcen und mehr grenzüberschreitende Zusammenarbeit für beispielsweise Untersuchungen im Bereich des Onlinehandels, der nicht an Grenzen haltmacht.“
Zahlen und Fakten zum Online-Handel in der EU:
- 3 von 4 EU-Bürger*innen haben 2023 Produkte online eingekauft – und der Anteil des Online-Handels nimmt weiter schnell zu.
- Zwischen 2017 und 2021 wuchs der Online-Handel mit importierten Produkten schneller als der mit in der EU hergestellten Produkten, und zwar um fast 20 Prozent pro Jahr.
- 45 Prozent der Verbraucher*innen, die in Drittländern einkaufen, haben Produkte aus China gekauft.
- Weltweit bleiben Amazon und AliExpress auch 2023 die führenden Online-Marktplätze, aber bereits jetzt liegt Shein auf Platz drei und Temu auf Platz vier, das ein Jahr zuvor noch nicht erfasst wurde.
- Im Jahr 2023 kamen 2,3 Milliarden Artikel im Wert von unter 150 Euro, was 28 Milliarden Euro entspricht, in der EU an. Diese enorme Anzahl von Paketen macht nur 1 Prozent des gesamten Importwerts aus. 80 Prozent dieser Pakete unter 150 Euro kommen aus China. Schätzungen für 2024 gehen von 4 Milliarden Paketen aus, die in der EU ankommen werden.
- In der Folgenabschätzung der Kommission für die Zollreform wurde festgestellt, dass das derzeitige Zollmodell nicht für den Online-Handel und die Bekämpfung nicht konformer und gefährlicher Produkte, die in den Binnenmarkt gelangen, geeignet ist.
- Gemeldete Probleme mit Vorschriften zu Produktsicherheit, Chemikalien, Lebensmitteln, Kontaktmaterialien und anderen Gesundheits- und Umweltfragen werden bei importierten Produkten dreimal häufiger festgestellt als bei in der EU hergestellten Produkten. Nur ein Beispiel: 95 Prozent der bei Temu gekauften Spielzeuge verstoßen gegen die EU-Sicherheitsvorschriften.
- Zwei Drittel der auf Online-Marktplätzen gekauften Produkte fallen bei Sicherheitstests durch.