Gastbeitrag bei Tagesspiegel Background: EU will Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung stoppen
Heute stimmt der EU-Rechtsausschuss über den Entwurf zum europäischen Lieferkettengesetz ab. Das Gesetz soll Standards für Menschenrechte und Umwelt festlegen. Das betrifft auch die Automobilbranche, insbesondere mit Blick auf den Rohstoffabbau für die E-Mobilität.
Die Lieferketten von Produkten auf dem europäischen Markt sind hochkomplex. Sie erstrecken sich oft über eine Vielzahl von Ländern und Branchen. Für menschenunwürdige Arbeitsbedingungen entlang ihrer Lieferketten stehen auch deutsche und europäische Unternehmen in der Kritik – ob in Textilfabriken in Bangladesch oder Platin-Minen in Südafrika. Doch bisher sind die Lieferketten eines Produktes intransparent und menschenrechtliche Sorgfaltspflichten nicht verbindlich in der gesamten EU. Das soll sich jetzt ändern.
Seit Anfang des Jahres verpflichtet das deutsche Lieferkettengesetz Unternehmen zur Durchführung bestimmter Sorgfaltsprüfungen. Auch die Europäische Union arbeitet aktuell an einem Lieferkettengesetz. Das ist wichtig, denn ein gesamteuropäischer Ansatz schafft faire Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen auf dem gemeinsamen Binnenmarkt.
Die EU-Kommission legte schon im Februar 2022 einen Vorschlag für ein solches Gesetz vor. Nach langen und intensiven Verhandlungen zeichnet sich nun ein Kompromiss im Europäischen Parlament ab. Der zuständige Rechtsausschuss wird heute über den Entwurf abstimmen – im Mai folgt die Plenarabstimmung. Danach starten die Trilog-Verhandlungen zwischen Parlament, Kommission und Rat.
Geltungsbereich der Verordnung ausweiten
Ein Schwachpunkt des Kommissionsvorschlags war, dass dieser nur EU-Unternehmen einbezog, die mehr als 500 Beschäftigte und einen Umsatz von über 150 Millionen Euro haben oder solche, die in einem der definierten Hochrisikosektoren, wie der Rohstoff- oder Textilindustrie tätig sind. Unternehmen wären so nur ab einer bestimmten Größe und Umsatz zur Sorgfalt verpflichtet. Finanzunternehmen mit wenig Personal, aber großem Umsatz fielen aus der Verordnung. Wir als Grüne haben uns deshalb dafür eingesetzt, die Richtlinie auszuweiten. Laut des Kompromisses im Parlament soll sie nun auch für Unternehmen ab 250 Beschäftigten mit einem Umsatz von 40 Millionen Euro jährlich gelten.
Die Richtlinie bezieht sich auf die gesamte Wertschöpfungskette. Anders als die Lieferkette beinhaltet diese alle vor- und nachgelagerten Akteure, die für die Herstellung bis zum Verkauf eines Produktes notwendig sind. Im Kommissionsvorschlag sollten ursprünglich jedoch nur „etablierte Geschäftsbeziehungen“ eingeschlossen sein. So entstünden Schlupflöcher und Rechtsunsicherheiten für Unternehmen.
Das Parlament will nun das Gesetz auf alle Geschäftsbeziehungen ausweiten – mit einem risikobasierten Ansatz. Nur so können wir wirksam Menschen und Umwelt schützen und die Unternehmen werden dazu angehalten, sich nicht im Klein-Klein zu verlieren, sondern nach Risiko zu priorisieren.
Sorgfaltspflichten für Unternehmen
Das EU-Lieferkettengesetz enthält eine Klausel zur zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen. Dadurch kann es ein wirksames Instrument für Opfer von Menschenrechtsverletzungen in Drittstaaten werden. Bisher ist es für diese Gruppen oft sehr schwierig bis unmöglich, ihre Rechte über die Grenze ihres eigenen Staates hinweg geltend zu machen. Mir ist hier wichtig zu betonen, dass Unternehmen nur bei fahrlässigen Verstößen gegen die Sorgfaltspflicht haftbar sind und nicht bei jeglichem Auftreten von Menschenrechtsverletzungen – hier kursieren viele missverständliche Informationen bei den Unternehmensverbänden.
Auch die umweltbezogenen Sorgfaltspflichten will das Europäische Parlament stärken. Unternehmen müssen sicherstellen, dass es in ihren Lieferketten keine Umweltverbrechen gibt. Hierfür werden Verpflichtungen für Unternehmen aus verschiedenen internationalen Abkommen abgeleitet, unter anderem auch vom Pariser Klimaabkommen, denn die Klimakrise ist schon jetzt ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und bedroht Natur und Mensch. Umso dringender ist es jetzt auch, Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, ihren Beitrag zu den gemeinsamen Klimazielen zu leisten.
Das Lieferkettengesetz wird für viele Branchen relevant. Einen will ich beispielhaft noch einmal herausgreifen. Der Abbau von Rohstoffen wie Kobalt ist oft mit Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen verbunden. NGOs und Wissenschaftler*innen warnen seit Jahren vor den Zuständen zum Beispiel in den Minen in der Demokratischen Republik Kongo. Doch auch für Rohstoffe wie Aluminium, Stahl und Kupfer gibt es bisher nur wenig Transparenz über ihre Herkunft.
Lücken in den Nachhaltigkeitsberichten der Autohersteller
Eine Studie von Inkota und Powershift zeigte, dass trotz Mitgliedschaft in verschiedenen Industrie- und Rohstoffinitiativen von BMW, Daimler und VW bisher nur wenig konkrete Taten folgten. In Nachhaltigkeitsberichten gaben diese bisher nur lückenhaft zu ihren Lieferketten und ihrem Nachhaltigkeits-Engagement Auskunft.
Das Lieferkettengesetz bietet Unternehmen nun neue Anreize, ihre Lieferketten transparenter zu gestalten und langfristig zu überdenken. Ein wichtiger Baustein für die Transformation unserer Lieferketten ist die Kreislaufwirtschaft und die vielen wichtigen Gesetzesvorhaben auf europäischer Ebene. So wird die Verschwendung wertvoller Ressourcen vermindert und die nachhaltige Nutzung von Produkten gestärkt. Europa kann Signale setzen. Der europäische Binnenmarkt ist der größte der Welt. Nutzen wir dies!