Warum wir das Mercosur-Abkommen stoppen müssen

Warum grüne Handelspolitik den Amazonas schützt: Meine Priorität im Europaparlament ist es, die europäische Handelspolitik ökologischer und sozialer zu machen. Deshalb ist auch das Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten Zentrum meiner Arbeit. In Diesem Artikel erfahrt Ihr Hintergründe, meine Positionen und warum wir das Abkommen dringend stoppen sollten.

Das Handelsabkommen Mercosur

  • Am 28. Juni 2019 brachten die Europäische Union und die Mercosur-Mitgliedsländer Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay die Mercosur-Verhandlungen nach fast 20 Jahren zum Abschluss. Durch das Abkommen würde die weltweit größte Freihandelszone entstehen, die über 770 Millionen Menschen umfasst.
  • Während sich die Proteste vervielfachen, kündigte die Kommission am 19. September an, dass sie offiziell die rechtliche Überprüfung des Textes einleitet. Nach Abschluss dieser Überprüfung beginnt die Ratifizierungsphase. Es könnte in 6 Monaten bis zu einem Jahr sein.
  • Das Abkommen soll über 90 Prozent der Zölle für zwischen der EU und Mercosur gehandelten Waren abschaffen. Für manche Produkte wird eine längere Übergangsperiode zur Zollliberalisierung eingeräumt, damit sich Unternehmen in Mercosur-Ländern anpassen können. Die Hauptprofiteure sind die Auto- und die Zulieferindustrie, Maschinenbau, Chemie- und pharmazeutische Industrie.
  • Im Agrarsektor verpflichtet sich die EU auf eine jährliche Importquote von 99.000 Tonnen Rindfleisch zu einem verminderten Zollsatz von 7,5 Prozent, 25.000 Schweinefleisch zu einem verminderten Zollsatz von 83 Euro die Tonne und zollfrei 180.000 Geflügel.
  • Neben dem Abbau von Zöllen oder dem Schutz von Herkunftsbezeichnungen beinhaltet Mercosur ein Nachhaltigkeitskapitel, in dem Umwelt-, Klima- und Arbeitsstandards zwar verbindlich geregelt sind, aber bei Verstößen beispielsweise gegen die Ziele des Pariser Klimaabkommens oder gegen eine weitere Entwaldung nicht sanktionierbar sind.

Mercosur und die Regenwald-Brände im Amazonas

  • Im Jahr 2019 wurden im brasilianischen Amazonasgebiet bereits über 80.000 Brände registriert, die voraussichtlich zu einem Verlust von insgesamt mehr als 10.000 Quadratkilometern Regenwald im Jahr 2019 führen werden (September).
  • Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro fördert seit seinem Amtsantritt unterstützt durch die die weitere Abholzung und Rodung des Regenwaldes, weshalb allein im Juli 2.254 Quadratkilometer Regenwald gerodet worden sind. Das sind 278 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Durch die Brände sind mittlerweile mehr als 400 indigene Gemeinschaften bedroht.
  • Bolsonaro hat weiteres Land Indigener für Bergbau, das Agrobusiness und Staudämme freigegeben, was gegen die Brasilianische Verfassung verstößt, und nimmt bestehende Umweltgesetzgebung zurück. Er löst parallel nach und nach IBAMA, die brasilianische Umweltbehörde auf, die dafür verantwortlich ist, Landgrabbing, Rodung oder Mienen zu verhindern. Ebenso kürzte er das Budget von ICMBio, der Bundesbehörde, die geschützte Gebiete verwaltet. Den seit 2004 geltende Action Plan for Prevention and Control of Deforestation in the Amazon (PPCDAm), der für den Rückgang der Abholzung des Regenwaldes der letzten Jahre verantwortlich war, hat Bolsonaro abgeschafft. Umwelt-NGOs und Institute sind zunehmend in ihrer Arbeit behindert.
  • Der Amazonas ist für das Weltklima unersetzlich: Wissenschaftler warnen davor, dass der Amazonas einen Wendepunkt erreichen könnte, an dem er sich nicht mehr als Regenwald halten kann. Die Änderung würde 200 Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre freisetzen.
  • Das Mercosur-Handelsabkommen erleichtert auf der einen Seite Soja- und Rindlfeischimporte aus Brasilien, kann aber auf der anderen Seite Umwelt- und Klimavergehen nicht sanktionieren. Dadurch heizt Mercosur die ohnehin schon krasse Intensivierung der Landwirtschaft, die Rodung und damit auch die Vertreibung Indigener weiter an

Was ich vorschlage

  • Die EU-Kommission muss als Sofortmaßnahme den Import von Rindfleisch und Soja aussetzen, die in Zusammenhang mit illegaler Abholzung des Amazonas stehen.
  • Die Bundesregierung darf nicht weiter an dem Mercosur Abkommen festhalten, sondern muss die Ratifizierung aussetzen – und swar nicht nur im Licht der aktuellen Brände im Amazonas.
  • Mittelfristig müssen wir sicherstellen, dass es in der Lieferkette volle Transparenz gibt, für Waren die mit einem hohen Risiko, mit Entwaldung und Menschenrechtsverletzungen in Verbindung kommen. Produkte, die mit der Verletzung von Menschenrechten oder Abholzung und anderen Umweltverbrechen in Zusammenhang stehen, sollen nicht mehr auf den EU-Binnenmarkt gelangen dürfen. Unternehmen haften für ihre Lieferketten. Wir knüpfen mit diesem Vorschlag an erfolgreiche Regelungen in beispielsweise Frankreich und Großbritannien an und bauen auf die EU-Richtlinie zu Konfliktmineralien auf.
  • Künftige Handelsabkommen dürfen den Kampf gegen den Klimawandel nicht verhindern.
  • Bis zu 80% der weltweiten Entwaldung ist durch Intensive Landwirtschaft im Ausland und in Europa entstanden. So verfüttern beispielsweise viele europäische Massentierhaltung betriebe brasilianisches gentechnisch verändertes Soja an ihre Tiere. Die Abholzung und Vergiftung von Land in Brasilien und anderswo auf der Welt durch den Amazonas wird durch unser Landwirtschaftsmodell angetrieben. Wir brauchen eine Gemeinsame Agrarpolitik, die die Belohnung der Massentierhaltung einstellt!

Können wir im Moment sicherstellen, dass die von uns importierten Produkte nicht mit der Entwaldung zusammenhängen?

  • Nein. Im Moment gibt es nur sehr wenig Transparenz in der Lieferkette von Produkten, die mit der Entwaldung verbunden sind. Heute ist es immer noch schwer zu wissen, woher unsere Produkte kommen. Nur frische Produkte in allgemeinen Supermärkten haben eine ordnungsgemäße Ursprungskennzeichnung. Oft haben Unternehmen selbst keine Ahnung: So können beispielsweise nur 14% der Sojabetriebe ihre Waren bis zu ihrem Herkunftsbetrieb zurückverfolgen!
  • EU-Handelsabkommen enthalten nur eine schwache und kaum durchsetzbare Sprache zur nachhaltigen Entwicklung. Sie können nicht sicherstellen, dass die von uns importierten Produkte keine Entwaldung verursachen. 
  • Es gibt andere europäische Rechtsvorschriften, wie die EU-Holzverordnung. Diese Verordnung versucht, den Zutritt von illegal geschlagenem Holz in die EU zu verbieten. Indem sie Unternehmen zwingt, genau zu wissen, woher ihr Holz stammt, und sicherstellt, dass sie die Gesetze dieses Landes einhalten. Die EU-Holzverordnung ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber wir wollen sie verbessern. Die Verordnung sollte sich nicht nur auf die Einfuhr von Holz, sondern auch auf alle anderen landwirtschaftlichen Erzeugnisse erstrecken, die zur Entwaldung führen, wie Soja oder Fleisch. Auch die Kontrollen und Sanktionen der Verordnung müssen verstärkt werden. 

Ist die Entwaldung das einzige Problem im Abkommen EU-Mercosur?

Nein! Es gibt noch viele andere Probleme mit dem Mercosur-Abkommen. 

  • Keine Transparenz. Wie bei anderen Freihandelsabkommen wurde auch das Mercosur-Abkommen im Geheimen ausgehandelt. Auch ab September 2019 sind nur noch Teilversionen online! 
  • Importkontrollen schwächen. Die Abkommen beschränken die Kontrollen von Produkten an den europäischen Grenzen, falls das Ausfuhrland „ausreichende Garantien bietet, dass es die Normen der EU einhält“. Aber der vergangene Gammelfleischskandal vor allem im brasilianischen Fleischsektor hat gezeigt, dass Korruption und mangelnde Kontrolle weit verbreitet sind. Hygienekontrollen an die Grenze sollte verstärkt und nicht geschwächt werden!
  • Das Vorsorgeprinzip wird unterlaufen. Das Vorsorgeprinzip steht nicht im Mittelpunkt des Abkommens. Beispielsweise ist es nicht Teil des in dem Kapitel zu Lebensmittelsicherheit. Es wird nur in dem nicht-sanktionsbewehrten Nachhaltigkeitskapitel erwähnt. Die mangelhafte Verankerung des Vorsorgeprinzips sichert auch den Handel mit GVOs und die massenhafte Verfütterung der Gentech-Soja ab. Denn vorsorgliche Beschränkungen von Gentech-Produkten können dadurch als potenzielle Verstöße gegen das Assoziationsabkommen geahndet werden.
  • Zahnlose Bestimmungen zur Antibiotikaresistenz. Das Abkommen enthält Bestimmungen für die Zusammenarbeit zwischen der EU und den Mercosur-Ländern zur Bekämpfung der Antibiotikaresistenz, aber dies wird auf die unverbindliche Zusammenarbeit beschränken und nicht auf die rechtsverbindlichen Teile des Abkommens über den Handel mit Fleisch und tierischen Erzeugnissen Anwendung finden, so dass die Möglichkeit besteht, dass das Abkommen selbst diese Bemühungen untergraben wird. Antibiotika werden in den Mercosur-Ländern massiv in der Fleischindustrie eingesetzt. 
  • Mehr Macht für Lobbyisten. The Assoziationsabkommen sieht die Einrichtung eines Unterausschusses für Lebensmittelsicherheit vor. In diesem Ausschuss werden Regierungen und Lobbyisten sensible Themen diskutieren, darunter die Marktzulassung für neue gentechnisch veränderte Organismen – weg von der Öffentlichkeit.