Briefing: Inhalt und Bewertung der Mitteilung der Europäischen Kommission zum Green Deal Industrieplan
Von Anna Cavazzini und Rasmus Andresen
Briefing
Heute hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihren Green Deal Industrieplan vorgestellt. Ziel soll ein schnellerer Übergang zur klimaneutralen Wirtschaft sein, um langfristig die europäische Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
Inhalt: Kein Moratorium, keine Deregulierung
- Die Europäische Kommission erkennt die Rolle eines starken regulatorischen Rahmens an, um nachhaltige unternehmerische Entscheidungen zu unterstützen und hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen. Die Mitteilung enthält keine Ansätze eines Moratoriums oder zur Deregulierung.
- Die Kommission unterstreicht die Bedeutung des Ökodesigns für die europäische Wettbewerbsfähigkeit. Die Forderung nach hohen Nachhaltigkeitsstandards für Produkte, die auf dem Binnenmarkt in Umlauf gebracht werden, wird den europäischen Herstellern einen Wettbewerbsvorteil verschaffen und gleichzeitig die nachhaltige Produktion in Drittländern unterstützen.
Grüne Bewertung:
- Der US IRA muss uns Ansporn sein: Wir müssen den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft überall auf der Welt unterstützen. Wir müssen auch in der EU ehrgeiziger im Umbau unserer Wirtschaft und Industrie werden.
- Gerade die Industrie fordert Klarheit durch Regulierung: Klare Leitplanken unterstützen nachhaltige Geschäftsmodelle und sichern langfristig die europäische Wettbewerbsfähigkeit.
- Was die Industrie längst verstanden hat, ist bei den Konservativen noch nicht angekommen. Sie schlagen mit ihrer Forderung nach Deregulierung und einem Moratorium auf Umwelt- und Klimagesetzgebung eine Schlacht aus dem letzten Jahrhundert.
- Daher begrüßen wir die herausgehobene Bedeutung nachhaltiger Produktstandards auf dem Binnenmarkt. Der ordnungspolitische Teil der Mitteilung zielt auf die Vereinfachung einiger Verwaltungsverfahren ab, insbesondere bei der Erteilung von Genehmigungen. Dies darf jedoch nicht auf Kosten der lokalen demokratischen Entscheidungsfindung oder des Umweltschutzes gehen.
Inhalt: Förderung von Investitionen und emissionsfreien Technologien
- In der Mitteilung wird die Unterstützung von länderübergreifenden Investitionsprojekten erwähnt, um den Binnenmarkt zu stärken. Die Einzelheiten müssen jedoch noch präzisiert werden.
- Die Betonung der Entwicklung hochwertiger Recyclingkapazitäten in Europa soll den Materialkreislauf bei den Rohstoffen schließen. Weitere Einzelheiten müssen im Gesetz über kritische Rohstoffe präzisiert und priorisiert werden.
- Die Kommission hebt die Rolle des öffentlichen Beschaffungswesens bei der verstärkten Nutzung von klimaneutralen Technologien hervor.
- Die Kommission schlägt jedoch keine Änderung des derzeitigen Rechtsrahmens für das öffentliche Beschaffungswesen vor, sondern zieht lediglich verbindliche grüne Kriterien für das öffentliche Beschaffungswesen in Erwägung.
Grüne Bewertung:
- Wir begrüßen die Investitionsprojekte und die Maßnahmen zum Übergang zur Kreislaufwirtschaft. Wer Sorgen um eine Deindustrialisierung hat, muss eine ehrgeizige Klimagesetzgebung befürworten.
- Die öffentliche Beschaffung kann einen großen Beitrag dazu leisten, die Nachfrage nach grüner Produktion made in EU anzureden. Diesen Hebel müssen wir für den Umbau unserer Industrie unbedingt nutzen.
- Öffentliche Aufträge rein nach dem Kriterium des niedrigsten Preises zu vergeben, können wir uns angesichts der Klimakrise einfach nicht mehr leisten. Die Einbeziehung des öffentlichen Auftragswesens in den Kommissionsplan ist gut, hier erwarten hier aber mehr.
Inhalt: Gezielte Flexibilisierung staatlicher Beihilfen
- Die Kommission schlägt zusätzliche, zeitlich begrenzte Flexibilisierungen bei den staatlichen Beihilfen vor, die jedoch auf die Entwicklung und den Ausbau erneuerbarer Energieträger, sowie Energieeffizienz steigernde Projekte ausgerichtet sind.
- Der Kommissionsentwurf eröffnet den EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die Höhe der Beihilfen aufzustocken, um mit dem Förderumfang für vergleichbare Projekte von Wettbewerbern von außerhalb der EU gleichziehen zu können.
Grüne Bewertung:
- Wir müssen den Binnenmarkt schützen. Denn neue Ungleichgewichte im Binnenmarkt schaden mittelfristig allen. Daher muss die Flexibilität bei staatlichen Beihilfen zeitlich begrenzt sein und darauf abzielen, grüne Investitionen zu beschleunigen. Hierfür müssen die Sektoren, die befreit werden sollen, stärker ausdefiniert werden.
- Wenn wir Milliarden öffentlicher Gelder in Unternehmen investieren, braucht es klare Auflagen: Kein Cent in Fossile, keine Rettung von Unternehmen rein der Rettung wegen, kein Geld für Dividenden und Boni.
- EU- und US-Beihilfen sollten sich gegenseitig verstärken und zeitlich begrenzt und zielgerichtet auf den grünen Umbau sein. Wir müssen staatliche Beihilfen an strenge Bedingungen knüpfen.
Inhalt: Keine neuen EU-Mittel für den Green Deal Industrial Plan
- Der Teil, der sich auf die EU-Finanzierung konzentriert, um eine Fragmentierung des Binnenmarktes zu verhindern, scheint keine neuen finanziellen Spielräume zu beinhalten. Die EU hat sich verpflichtet bis 2030 insgesamt mehr als 380 Milliarden Euro in den grünen Wandel zu investieren.
- Laut dieser Mitteilung wird das Geld aber größtenteils aus der Umschichtung bestehender Fonds stammen, insbesondere aus der RePowerEU und der Recovery und Resilience Facility.
- Die Kommission beabsichtigt, mittelfristig einen Souveränitätsfonds als Teil des mehrjährigen Finanzrahmens vorzuschlagen, der sich auf kritische und neue Technologien konzentriert. Zu diesem Vorschlag liegen keine Zahlen vor.
Grüne Bewertung:
- Wir brauchen frische EU-Gelder in Form eines Souveränitätsfonds, um den industriellen Teil des Green Deal zu finanzieren. Denn nicht alle Mitgliedsstaaten haben die gleichen Möglichkeiten, gelockerte Beihilferegeln für Investition zu nutzen. Uns ist wichtig, dass er klare Konditionalitäten beinhaltet.
- Nach dem Kommissionsvorschlag bleibt das Risiko höchst ungleicher staatlicher Beihilfen von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat bestehen. Ob Mittel aus bestehenden Töpfen, die bisher noch nicht abgeflossen, aber teilweise bereits verplant sind, dazu taugen die enorme Finanzierungslücke zu stopfen ist mehr als fraglich.
Inhalt: Förderung von Qualifikationen
- Im Mittelpunkt des Mitteilungsentwurfs stehen die Qualifikationen, einschließlich neuer Vorschläge zur Anerkennung von Berufsqualifikationen.
Grüne Bewertung:
- Gute Arbeitsbedingungen in der gesamten EU sind der Schlüssel zu Fachkräften. Dieses Element fehlt leider weitgehend im Mitteilungsentwurf.
Inhalt: Keine Neuausrichtung der EU-Handelspolitik
- Im Bereich Handel schlägt die Kommission keine neuen Initiativen vor, abgesehen von der Fortsetzung ihrer Handelsverhandlungen und der Ratifizierung anhängiger Abkommen, auch wenn diese nicht den Zielen des Green Deal und der neuen Net-Zero-Industriestrategie entsprechen.
Grüne Bewertung:
- Wir brauchen internationale Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Partner*innen, keinen Handelskrieg. Daher dürfen wir die Klimapolitik der anderen nicht auf der Grundlage von WTO-Handelsregeln angreifen.
- Die Betonung der Kommission, die handelspolitischen Schutzinstrumente der EU zu nutzen, um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten, begrüßen wir.