Ein Jahr Europaabgeordnete

Am 02.07.2019 hat sich das Europäische Parlament zu seiner neunten Wahlperiode konstituiert. Seither ist viel passiert: Ich habe Büros in Brüssel, Chemnitz und Magdeburg aufgebaut, habe Kommissar*innen befragt, im Rahmen der Parlamentshearings dazu beigetragen ungeeignete Kandidat*innen zu verhindern und mich natürlich direkt in die inhaltliche Arbeit gestürzt. Hier möchte ich euch einen ersten Einblick geben über all das, was in diesem einen Jahr alles passiert ist.

 

Im Ausschuss für internationalen Handel streite ich dafür, dass die EU-Handelspolitik endlich mit den Zielen des Green Deals in Einklang gebracht wird.

Außerdem kämpfe ich dafür, dass wir das ausgehandelte EU-Mercosur-Abkommen endlich fallen lassen. In diesem Jahr habe ich eine Studie zu diesem Abkommen veröffentlicht und stehe in stetigem Austausch mit Vertreter*innen der brasilianischen Community und der indigenen Völker im brasilianischen Amazonas. Außerdem habe ich mich mit dem Freihandelsabkommen EVFTA zwischen der EU und Vietnam beschäftigt.

Als Verantwortliche für die Investitionspolitik bin ich auch für den Energiecharta-Vertrag zuständig. Hier konnte ich dazu beitragen, dass dieses gefährliche Abkommen auf die politische Agenda des Parlaments gesetzt wurde.

Nach der ersten Hochphase der Corona-Krise nahm ich mich der Frage der Handelsregeln an. Aktuell erschweren diese die staatlichen Bemühungen, Therapien und Impfstoffe für alle Bürger*innen verfügbar und erschwinglich zu machen.

Auch in der Debatte über die zukünftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich nach dem Brexit, setze ich mich nachdrücklich für progressive Bestimmungen in den Bereichen Umwelt-, Klima- und Verbraucher*innenschutz und der Sozial- und Steuerpolitik ein, die die EU-Verhandlungsseite vertritt.

Schließlich setzte ich mich zusammen mit vielen anderen Europaabgeordneten und Organisationen unermüdlich für eine Gesetzgebung zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen entlang ihrer Lieferkette auf europäischer Ebene ein - diese Arbeit war erfolgreich, die Kommission kündigte eine Gesetzgebung für 2021 an!

Gleich zu Beginn der Legislatur habe ich ein Thema übernommen, das noch aus der letzten Wahlperiode stammte: Die Übergangszeiten, die Autoherstellern zugestanden werden, bis sie die neuen Stickstoff-Grenzwerte auch bei Tests auf der Straße einhalten müssen. Dabei handelt es sich um ein Überbleibsel aus falschen Abgasmessungen der Dieselgate-Affäre. Das war ein wirklich spannender Kick-Start in die Arbeit des Binnenmarktausschusses.

Aber auch Themen, die die kommunale Ebene bewegen, wie der steuerliche Querverbund oder die Notifizierungsrichtlinie liegen im Bereich des Binnenmarktausschusses. Hier monitore ich genau und treffe Stakeholder*innen, damit wir für Parlamentsarbeit gut vorbereitet sind.

Auch der Bereich Verbraucher*innenschutz liegt bei mir: Im Rahmen des European Green Deal wird eine neue Verbraucher*innenagenda schon während der deutschen Ratspräsidentschaft angekündigt. So befassen wir uns im Ausschuss beispielsweise auch mit Themen wie den verschiedenen Inhaltsstoffen bei gleicher Verpackung auf dem europäischen Binnenmarkt (Dual Quality), digitalem Verbraucher*innenschutz und natürlich mit der Frage nach Entschädigungen bei Reise- und Flugausfällen in Corona-Zeiten (Gutscheine oder Entschädigung).

In der Hochphase der Corona-Krise lag der Fokus auf den geschlossenen Grenzen im Schengen-Raum und den damit einhergehenden Einschränkungen des Warenverkehrs sowie der Personenfreizügigkeit im Binnenmarkt. Hier habe ich mich dafür eingesetzt, dass wir eine klare Position für offene Grenzen einnehmen, die Vorteile des Binnenmarktes gerade in einer Pandemie nutzen und sinnvollere Wege finden, den Virus einzudämmen.

In die Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) bin ich über das Zoll-Programm eingebunden. Die Verhandlungen stocken derzeit im Rat, aber natürlich setze ich mich dafür ein, dass der Zoll den Anforderungen des Plattformzeitalters entsprechend gut ausgestattet ist, gut kooperiert und die Digitalisierung voranschreitet.

Klarer Schwerpunkt meiner Arbeit ist derzeit die Kreislaufwirtschaft. Hier habe ich die Schattenberichterstattung zum Aktionsplan der Kommission übernommen und arbeite daran, wie wir Produkte verbindlich nachhaltiger designen können und Stoffströme so managen können, dass Abfall erst gar nicht entsteht. Kreislaufwirtschaft muss im Herzen des Green Deal stehen und im Zentrum es sozial-ökologischen Umbaus unserer Wirtschaft.

Als Grüne Schattenberichterstatterin im Binnenmarktausschuss arbeite ich am Initiativbericht zum freien Dienstleistungsverkehr. Hier gilt es, die Balance zu finden Niederlassung und grenzüberschreitende Dienstleistungen zu erleichtern, dabei aber hohe soziale Standards einzuhalten und die kommunale Selbstbestimmung nicht einzuschränken.

Koalitionsverhandlungen Sachsen

Nach der Europawahl hieß vor der Landtagswahl in Sachsen. Dort habe ich aktiv den Wahlkampf unterstützt und wir konnten das beste Grüne Ergebnis, das wir jemals in Sachsen erzielt haben, feiern. Danach habe ich mich aktiv an den Koalitionsverhandlungen beteiligt. Heute sind wir Grünen in der Sächsischen Staatsregierung vertreten und haben das erste grüne Europaministerium deutschlandweit.

Wahlkreiswoche

Im Herbst 2019 konnte ich in meiner ersten Wahlkreiswoche als Europaabgeordnete Sachsen und Sachsen-Anhalt besuchen und vor Ort mit den Bürger*innen ins Gespräch kommen. Auf Abendveranstaltungen informierte ich über die Brände im Amazonas und das EU-MERCOSUR-Abkommen und hielt einen Vortrag an der HTWK Leipzig über die europäische Demokratie. Ich besuchte sowohl unterschiedliche Handwerks- und Handelskammern und führte viele Gespräche mit Initiativen und NGOs des Fairen Handels. Ich kam aber auch mit den Angehörigen der Opfer des rechten Terroranschlags von Halle (Saale) ins Gespräch. Das war mir ein wichtiges Anliegen und habe dieses Thema darum auf die Tagesordnung des Europäischen Parlaments setzen lassen.

Kommunalwahlkampf Leipzig

Das neue Jahr begann direkt mit einem Wahlkampf für die Oberbürgermeister*innenwahl in Leipzig. Dort bestritt ich zusammen mit Katharina Krefft und Annalena Baerbock ein tolles Town-Hall-Meeting. Im zweiten Wahlgang unterstützten die Grünen Leipzig den SPD-Kandidaten Burkhard Jung und trugen klare Forderungen an ihn heran: Mehr nachhaltige und ökologische Entwicklung in der Stadt Leipzig.

Landesparteirat

Auf der Landesdelegiertenkonferenz in Annaberg-Buchholz wurde ich im März 2020 in den Landesparteirat gewählt und kann somit auch weiter aktiv die europäischen Perspektiven und Inhalte in den sächsischen Landesverband tragen. Für das große Vertrauen und die sehr gute Zusammenarbeit bin ich sehr dankbar.

Webinare

Der Ausbruch der Corona-Pandemie verhinderte zwar weitere Besuche im Wahlkreis vor Ort, doch ich verlagerte meine Besuche ins Internet. Auf unzähligen digitalen Formaten organisierten wir spannende Austausche. Ich erklärte euch die neuen Arbeitsweisen des Parlaments oder zeigte euch mein Set-Up des HomeOffices. Der Wandel in den digitalen Austausch hat mehr Webinare, Gespräche, Bürger*innendialoge denn je ermöglicht. So hatten wir für unser Webinar mit dem EU-Justizkommissar Didier Reynders über 1100 Anmeldungen. Doch ebenso freue ich mich auch wieder auf physische Veranstaltungen nach der Pandemie.

Aufruf für offene Grenzen

Zu Corona-Zeiten habe ich gemeinsam mit der Landesarbeitsgemeinschaft Europa und dem Landesvorstand der GRÜNEN Sachsen einen grenzüberschreitenden Appell für „Offene Grenzen“ gestartet. Insgesamt konnten wir 28 Erstunterzeichner*innen gewinnen.

Braunkohletagebau Turów

Außerdem kämpfe ich weiter für den schnellen Kohleausstieg im Dreiländereck. Bereits 2019 war ich bei einer Menschenkette vor Ort. Jetzt nutze ich vielzählige parlamentarische Möglichkeit. Zum Beispiel verfasste ich eine schriftliche Frage an den EU-Umweltkommissar, um ihn direkt auf die Umweltkatastrophe des Braunkohletagebaus Turów aufmerksam zu machen und ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen zu fordern.

Büroeröffnung

Am 11. Juli 2020 eröffne ich nun mein Europabüro in Chemnitz. Es ist das erste Europabüro, dass es jemals gab in Chemnitz. Zu wissen, dass mit meinem Studium der Europastudien an der TU Chemnitz alles begonnen hat, schließt sich hier ein Kreis und ich freue mich außerordentlich.