Pressemitteilung: Durchbruch im Kampf gegen Zwangsarbeit – Europaparlament verschärft Verbot von Produkten

Am Montag (16. Oktober) ab 19:00 Uhr werden die Ausschüsse für internationalen Handel (INTA) und Binnenmarkt (IMCO) über den Bericht des Europäischen Parlaments über die Verordnung zum Verbot von durch Zwangsarbeit hergestellten Produkten auf dem EU-Markt abstimmen. Anschließend können die Verhandlungen zwischen dem EU-Parlament, dem Rat und der Europäischen Kommission beginnen.

Die bevorstehende Abstimmung kommentiert Anna Cavazzini, Grünen/EFA-Schattenberichterstatterin und Vorsitzende des IMCO-Ausschusses:

„Das Gesetz ist ein Durchbruch im Kampf gegen Zwangsarbeit, für den wir Grünen/EFA uns schon lange eingesetzt haben. Das Europäische Parlament fordert ein schärferes Gesetz, als das ursprünglich von der EU-Kommission vorgeschlagene, und setzt einen kraftvollen Ton für die Verhandlungen. Besonderes Augenmerk soll auf Produkte aus Regionen mit staatlicher Zwangsarbeit liegen. In der Zukunft kommen keine Produkte aus Zwangsarbeit wie in Xinjiang in die Läden in der EU.

EU-weit harmonisierte Sanktionen gegen Zwangsarbeit und eine verstärkte Rolle der Europäischen Kommission sollen die Umsetzung des Gesetzes für Mitgliedsstaaten und Unternehmen einfacher machen. Nun kommt es auf den Rat an, zügig eine Position zu finden, damit die EU noch vor Ende der Legislaturperiode das Gesetz verabschieden und unter Zwangsarbeit hergestellte Produkte vom europäischen Markt verbannen kann.”

Hintergrund: 

Schätzungen zufolge sind weltweit etwa 27 Millionen Menschen von Zwangsarbeit betroffen. Sie ist die extremste Form der Ausbeutung von Menschen und betrifft oft die schwächsten und am meisten ausgegrenzten Gruppen.

  • Auf Initiative von Anna Cavazzini und anderen Europaabgeordneten hatte sich das Europäische Parlament vor zwei Jahren in einer Resolution für ein neues Gesetz ausgesprochen – jetzt geht dieser Prozess auf die Zielgeraden.
  • Das Gesetz sieht vor, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nach umfangreichen Ermittlungen den Verkauf von Produkten auf dem Binnenmarkt verbieten können, wenn diese in Zwangsarbeit hergestellt wurden.
  • Den Text des Kommissionsvorschlags finden Sie hier: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52022PC0453&qid=1664464041309&from=DE

Hier eine Analyse von den Kompromissen im Europaparlament:

Wir gehen davon aus, dass diese am Montag von den beiden Ausschüssen angenommen und damit Parlamentsposition werden. Der Rat ist noch in der Positionsfindung.

  • Anwendungsbereich: Es ist uns gelungen, einen produktbasierten Mechanismus beizubehalten und alle Unternehmen in den Anwendungsbereich der Verordnung zu behalten, obwohl manche Fraktionen, wie beispielsweise die Europäische Volkspartei, Produkte aus Zwangsarbeit von kleineren Unternehmen weiterhin zulassen wollten.
  • Produkte aus staatlich verordneter Zwangsarbeit: Das Europaparlament schlägt vor, dass die Europäische Kommission eine Liste erstellen soll, in denen Sektoren in bestimmten Regionen festgehalten werden, in denen staatlich verordnete Zwangsarbeit vorherrscht. Beispielsweise könnte Baumwolle aus Turkmenistan oder Elektronik aus Xinjiang auf dieser Liste stehen. Unternehmen, die solche Produkte aus diesen Regionen und Sektoren importieren wollen, müssen dann nachweisen, dass keine Zwangsarbeit in der Lieferkette ist – also eine Umkehr der Beweislast.
  • Wiedergutmachung für die Opfer von Zwangsarbeit wird als Bedingung für die Aufhebung des Verbots des Inverkehrbringens der Produkte auf dem EU-Markt durch die zuständige Behörde aufgenommen.
  • Eine stärker harmonisierte Umsetzung im Binnenmarkt, da die Kommission als zusätzliche zuständige Behörde auch eine Rolle bei der Umsetzung spielen wird. Außerdem spricht sich das Parlament für harmonisierte Sanktionen aus, wenn Unternehmen gegen das Gesetz verstoßen.
  • Vertraulichkeit und Schutz von Hinweisgebern: Die Grünen konnten sich mit ihrer Forderung durchsetzen, dass die Identität derjenigen, die Informationen (Beschwerden) bei der zuständigen Behörde einreichen, vertraulich behandelt wird. Dies ist wichtig, weil die Erfahrung zeigt, dass in vielen Ländern solchen Menschenrechtsaktivist*innen sonst Strafen oder Gefahren drohen.
  • Die Fraktion der Europäischen Volkspartei konnte sich leider damit durchsetzen, dass bei der Risikobewertung vor der Einleitung einer Untersuchung die Behörde berücksichtigen muss, welcher Prozentsatz des Endprodukts unter Zwangsarbeit hergestellt wurde. Die Grünen haben uns dagegen ausgesprochen, weil Zwangsarbeit immer eine Menschenrechtsverletzung darstellt, auch wenn in kleinen Teilen.
  • Dienstleistungen: Es ist uns nicht gelungen, Dienstleistungen in den Geltungsbereich der Gesetzgebung einzubeziehen. Das ist bedauerlich, da fast ein Drittel aller Zwangsarbeit im Dienstleistungsbereich stattfindet,  zum Beispiel beim Transport oder bei der Verpackung von Produkten. Laut Parlamentsposition soll die Kommission allerdings im Rahmen einer Überprüfungsklausel prüfen, ob eine solche Aufnahme später möglich ist.