Pressemitteilung – Europaparlament stimmt für den Austritt der EU aus dem Energiecharta-Vertrag
Straßburg, 24. April 2024
Europaparlament stimmt für den Austritt der EU aus dem Energiecharta-Vertrag
Soeben ist eine breite Mehrheit der Europaabgeordneten einen historischen Schritt gegangen und hat dem Austritt der Europäischen Union aus dem Energiecharta-Vertrag zugestimmt. Anna Cavazzini, Berichterstatterin im Handelsausschuss des Europäischen Parlaments für den Energiecharta-Vertrag und Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, kommentiert die Abstimmung wie folgt:
“Dieser absurde Vertrag hat Klimaschutz ausgebremst und Bürgerinnen und Bürgern Milliarden an Steuergeldern gekostet, in Form von Prozesskosten vor privaten Schiedsgerichten und Entschädigungszahlungen an multinationale Konzerne. Damit ist jetzt endlich Schluss und endlich haben internationale fossile Investoren keine Möglichkeiten mehr, ordentliche Gerichte zu übergehen und Klimapolitik mit außergerichtlichen Klagen anzugreifen. Die heutige Entscheidung des Europäischen Parlaments ist historisch. Ihr gingen eine jahrelange Kampagne der Zivilgesellschaft und zahlreiche Initiativen von uns Grünen im Parlament voraus.”
Hintergrund:
- Seit seiner Einführung im Jahr 1998 ist der Energiecharta-Vertrag das weltweit führende Investitionsschutzabkommen und bildet die Grundlage für die überwiegende Anzahl von Klagen vor privaten Schiedsgerichten. Durch den Schutz von Investitionen in fossile Brennstoffe vor solchen Gerichten verhindert der Vertrag ganz konkret Maßnahmen gegen den Klimawandel oder macht diese ungleich teurer.
- So verlangten im Jahr 2021 die deutschen Kohleunternehmen RWE und Uniper von der niederländischen Regierung 2,4 Mrd. EUR Schadensersatz wegen des Kohleausstiegs bis 2030. Im Jahr 2022 wurde Italien dazu verurteilt, dem britischen Ölkonzern Rockhopper 250 Mio. EUR als Entschädigung für seine Entscheidung zu zahlen, die Erschließung von Offshore-Ölvorkommen entlang der Küste zu verbieten, eine Praxis, die von italienischen Küstengemeinden angeprangert wurde. Und im November 2023 verklagte das Ölunternehmen Klesch Group Holdings Limited die EU, Deutschland und Dänemark auf mindestens 95 Mio. EUR wegen unerwarteter Steuern, die im Rahmen der Verordnung (EU) 2022/1854 des Rates eingeführt wurden, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der hohen Energiepreise abzufedern.
- Zahlreiche Mitgliedstaaten wie Deutschland sind bereits aus dem Vertrag ausgestiegen oder haben einen Ausstieg verkündet. Allerdings gab es im Rat keine Mehrheit für einen sogenannten “koordinierten Austritt”, den die Kommission schon im Juli 2023 vorgeschlagen hatte. Das Europaparlament hatte diesen bereits in einem Bericht zur Zukunft der Investitionspolitik, bei dem Anna Cavazzini ebenfalls Berichterstatterin war, im November 2022 gefordert. Beim “koordinierten Austritt” wären die EU und alle Mitgliedstaaten gemeinsam aus dem Vertrag ausgestiegen – die Rechtsauffassung der Kommission ist, dass die Mitgliedstaaten nicht in einem reformierten Vertrag bleiben können. Bei der jetzigen Lösung wird den Mitgliedstaaten, die das wünschen, ein Verbleib in dem Vertrag erlaubt. So konnte die lange Blockade im Rat aufgehoben und der Weg frei werden für einen EU-Austritt.