Pressemitteilung: Plenarabstimmung zum Recht auf Reparatur – Reparieren soll einfacher, schneller und günstiger werden

Nächste Woche Dienstag, 21. November, um 12h stimmt das Europäische Parlament in Straßburg über seine Position zum Recht auf Reparatur ab. Sobald der Rat seine Position festgelegt hat, können mit dieser Positionierung die Trilogverhandlungen beginnen. Die Debatte im Plenum findet am Montag, 20. November, statt. Die Grüne Europaabgeordnete Anna Cavazzini, Vorsitzende des zuständigen Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz sowie Grüne Schattenberichterstatterin für das Recht auf Reparatur kommentiert:

“Das Europaparlament beschließt ein Recht auf Reparatur, das reparieren einfacher, schneller und günstiger macht. Verbraucherinnen und Verbraucher können künftig ihren kaputten Staubsauger im Handumdrehen reparieren lassen – beim Hersteller, der zur Reparatur verpflichtet ist, oder bei einer unabhängigen Werkstatt in der Umgebung. 

Reparatur wird für alle zugänglich und erschwinglich, indem der Zugang zu Ersatzteilen zu einem angemessenen Preis und zu Reparaturanleitungen der Hersteller auch für kleine Repair-Shops um die Ecke und Tüftlerinnen in ihren Garagen garantiert wird. Das Recht auf Reparatur ermöglicht die nachhaltige Wahl für Verbraucherinnen und Verbraucher und ist ein Meilenstein im Übergang zur Kreislaufwirtschaft, die Ressourcen und Klima schont.

Wir Grüne haben uns erfolgreich dafür eingesetzt, dass außerdem Praktiken wie die Serialisierung von Ersatzteilen durch Hersteller unterbunden werden, die einer Reparatur faktisch im Wege stehen. Diese Öffnung des Marktes ist das Ende der unangefochtenen Marktmacht von Apple und Co. Reparatur wird günstiger und zur Norm.

Damit eine Reparatur sich für Verbraucherinnen und Verbraucher auch lohnt, spricht sich das Europaparlament für eine Verlängerung der Gewährleistung um ein Jahr nach Reparatur aus. Zusammen mit der Möglichkeit, sich direkt an den Hersteller und nicht erst an den Händler zu wenden, ist dieser Anreiz ein großer Gewinn für reparaturwillige Verbraucherinnen und Verbraucher.

Um nachhaltiges und langlebiges Design der Hersteller anzuregen, hätten wir Grüne uns hier gewünscht, die Gewährleistung an die erwartete Lebenszeit eines Produktes anzugleichen. Denn so lohnt sich der Griff an der Ladentheke zu einem etwas teureren Produkt, wenn das gleichzeitig bedeutet, dass die Reparaturkosten bei Defekt länger als zwei Jahre übernommen werden. Leider haben Konservative und Liberale jedoch auf der Bremse gestanden, um das Recht auf Reparatur noch wirkungsvoller für den Grünen Übergang der Wirtschaft zu machen. 

Das Recht auf Reparatur kann das Ende der Wegwerfgesellschaft einläuten. Dafür muss sich auch der Rat in den anstehenden Trilogverhandlungen zusammen mit dem Europaparlament für Ressourcen- und Klimaschutz einsetzen, der Verbraucherinnen und Verbrauchern echtes Geld spart.”

Inhalt und Grüne Bewertung der Position des Europaparlamentes:

Die Europäische Kommission hat auch auf Grünen Druck hin im März dieses Jahres endlich das Recht auf Reparatur auf den Weg gebracht, ein zentraler Baustein der Kreislaufwirtschaft. Der Kern ist die Verpflichtung der Hersteller zur Reparatur ihrer Produkte für einen bestimmten Zeitraum sowie die Priorisierung der Reparatur über Ersatz bei Defekt eines Produktes im Rahmen der gesetzlichen Gewährleistung.

Das Europaparlament präzisiert und schärft in seinem Mandat für den Trilog den Kommissionstext an  – trotz massiven Widerstands der Konservativen und Liberalen und gegen den Druck der Industrielobby, die einige Abschwächungen durchsetzen konnten. Wir erwarten keine knappen Abstimmungen. Sobald der Rat seine Position festgelegt hat, können die Trilogverhandlungen beginnen.

Der Bericht des Europaparlaments ist der Durchbruch für Tüftler*innen: Wir Grüne konnten erreichen, dass Ersatzteile und Anleitungen für unabhängige Werkstätten und auch für Bastler*innen zuhause zur Verfügung stehen müssen, und zwar zu einem angemessenen Preis und mindestens für die erwartete Lebensdauer des Produkts. Leider haben die Konservativen mit einem Verweis auf Geschäftsgeheimnisse den Zugang zu hochspezialisierten Diagnosetools zur Untersuchung von Produkten vor einer Reparatur eingeschränkt, was derzeit oft einer Analyse des Schadens und der anschließenden Reparatur durch unabhängige Werkstätten im Wege steht.

Besonders erfreulich ist aus Grüner Sicht die Ausweitung der Produkte, die unter die Richtlinie fallen um Fahrräder und Smartphones und Tablets. Außerdem werden Produkte aufgenommen, sobald die Kommission neue Regeln für sie aufstellt, z.B. im Rahmen der neuen Ökodesignverordnung. Wenn also Vorgaben zur Lebenszeit aufgestellt werden, sollen sie auch unter das Recht auf Reparatur fallen. Je mehr Produkte, desto einfacher für Verbraucher*innen, desto besser für Planeten.

Wir Grüne konnten erreichen, dass wir einige unserer Forderungen für ein universelles Recht auf Reparatur in der Parlamentsposition verankern, zum Beispiel, dass Hersteller durch bestimmte Praktiken wie die Serialisierung von Ersatzteilen oder in Verträgen die Reparatur nicht weiter behindern dürfen oder dass sie bereits reparierte Produkte ablehnen für eine Reparatur.

Bei der Gewährleistung konnten wir zwei große Vorteile für Verbraucher*innen erreichen: Die Verlängerung der Gewährleistung um ein Jahr nach Reparatur des Produktes, was ein großer Anreiz wird, Reparatur zu wählen bei Defekt des Produkts. Und Verbraucher*innen können sich zukünftig direkt an die Hersteller wenden für die Reparatur des Produktes und müssen nicht mehr über den Händler gehen. Das nimmt Hersteller in die Pflicht und wird Anreiz, Produkte reparaturfreundlicher zu designen, wenn sie sie selbst reparieren müssen. Wir hätten uns bei der sogenannten Hierarchie der Rechtsbehelfe mehr gewünscht: Nur wenn Reparatur günstiger als Ersatz ist und nur, wenn die Reparatur keine „erheblichen Unannehmlichkeiten für die Verbraucher*innen“ bringt, soll Reparatur dem Ersatz vorgezogen werden. Für den Ressourcenschutz und um Reparatur zur Norm zu machen, hätten wir die Reparatur stärker priorisiert.

Des Weiteren werden Mitgliedstaaten angeregt, über finanzielle Anreize (Voucher, Reparaturboni etc.) Reparatur zu stärken. Wir hätten uns noch ein System der erweiterten Herstellerverantwortung wie in Frankreich gewünscht, in dem die Hersteller gemeinsam für Reparaturen aufkommen.

In den Verhandlungen auf Ausschussebene gab es intensive Debatten um das Formblatt zur Information der Verbraucher*innen zur Reparatur. Die konservativ-liberale Seite konnte sich durchsetzen, es statt verpflichtend, wie es die Kommission vorgeschlagen hatte, es freiwillig auszugestalten – ein Einknicken vor der Industrielobby, die vor zu viel Bürokratie gewarnt hat. Das ist ein Rückschritt in der Verbraucherinformation. Dabei sieht die Parlamentsposition auch Erleichterungen für KMU vor, wie Training und Unterstützung bei der Umsetzung.

Auch im Recht auf Reparatur sind wir auf die Frage von Online-Marktplätzen gestoßen. Leider ist es uns wie in anderen Dossiers auch nicht gelungen, eine Mehrheit zu finden, um sie stärker in die Verantwortung zu nehmen, wenn sie keinen wirtschaftlich Verantwortlichen benennen können, der für die Reparatur verantwortlich wäre. Somit bleibt ein Schlupfloch für Verbraucher*innen, die aus Drittstaaten online bestellen.