Pressemitteilung: Reparieren ist aktiver Klimaschutz – Binnenmarktausschuss schärft Kommissionsvorschlag zum Recht auf Reparatur an
Am Mittwoch, 25. Oktober, um 9.30 Uhr stimmt der federführende Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz über die Position zum Recht auf Reparatur ab. Die Grüne Europaabgeordnete Anna Cavazzini, Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz sowie Grüne Schattenberichterstatterin für das Recht auf Reparatur kommentiert:
“Es ist zentral, dass wir angesichts der Klimakrise und des massiven Ressourcenverbrauchs das Recht auf Reparatur ehrgeizig ausgestalten. Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten, dass Produkte einfacher, schneller und günstiger zu reparieren sind.
Reparieren ist aktiver Klimaschutz und spart den Verbraucherinnen und Verbrauchern Geld. Um das Recht auf Reparatur möglichst universell und umfassend zu gestalten, haben wir Grüne uns erfolgreich dafür eingesetzt, dass unabhängige Werkstätten und Tüftlerinnen und Tüftler zu Hause Zugang zu Ersatzteilen und Anleitungen zu einem angemessenen Preis haben sollen. Gleichzeitig sollen Praktiken wie die Serialisierung von Ersatzteilen durch Hersteller unterbunden werden, die einer Reparatur faktisch im Wege stehen. So wird der Preis durch einen offenen Reparaturmarkt günstiger und Reparatur zur Norm.
Auch wenn wir uns bei der Ausweitung der Gewährleistung mehr gewünscht hätten, sind die Verlängerung um ein Jahr nach Reparatur und die Möglichkeit, sich direkt an den Hersteller zu wenden, große Gewinne für Verbraucherinnen und Verbraucher.
Konservative, Liberale und Rechte haben Teile des Kommissionsvorschlags zum Recht auf Reparatur abgeschwächt, zum Beispiel in Hinblick auf ein Formular zur Vorab-Information zu Kosten und Dauer der Reparatur für Verbraucherinnen und Verbraucher, das jetzt nur noch freiwillig ausgestaltet werden soll. Trotz wiederholter Lippenbekenntnisse für das Recht auf Reparatur liefern Konservative, Liberale und Rechte nicht.”
Inhalt und Grüne Bewertung der Position des Binnenmarktausschusses:
- Die Europäische Kommission hat auch auf Grünen Druck hin im März dieses Jahres endlich das Recht auf Reparatur auf den Weg gebracht, ein zentraler Baustein der Kreislaufwirtschaft. Der Kern ist die Verpflichtung der Hersteller zur Reparatur ihrer Produkte für einen bestimmten Zeitraum sowie die Priorisierung der Reparatur über Ersatz bei Defekt eines Produktes im Rahmen der gesetzlichen Gewährleistung.
- Der zuständige Binnenmarktausschuss konnte in seiner Position diesen Aufschlag präzisieren und anschärfen – trotz massiven Widerstands der Konservativen und Liberalen und gegen den Druck der Industrielobby. Im November wird das Recht auf Reparatur im Plenum in Straßburg abgestimmt; danach können die Trilogverhandlungen beginnen.
- Die Ausschussposition ist der Durchbruch für Tüftler*innen: Wir Grüne konnten erreichen, dass Ersatzteile und Anleitungen für unabhängige Werkstätten und auch für Bastler*innen zuhause zur Verfügung stehen müssen, und zwar zu einem angemessenen Preis und mindestens für die erwartete Lebensdauer des Produkts. Leider haben die Konservativen mit einem Verweis auf Geschäftsgeheimnisse den Zugang zu hochspezialisierten Diagnosetools zur Untersuchung von Produkten vor einer Reparatur eingeschränkt, was derzeit oft einer Analyse des Schadens und der anschließenden Reparatur durch unabhängige Werkstätten im Wege steht. Das ist eine vertane Chance, unabhängige Werkstätten mit Apple und Co. im Wettbewerb gleichzustellen – und genau dieser faire Wettbewerb kann die Preise für Reparatur senken.
- Besonders erfreulich ist aus Grüner Sicht die Ausweitung der Produkte, die unter die Richtlinie fallen um Fahrräder und Smartphones und Tablets. Außerdem werden Produkte aufgenommen, sobald die Kommission neue Regeln für sie aufstellt, z.B. im Rahmen der neuen Ökodesignverordnung. Wenn also Vorgaben zur Lebenszeit aufgestellt werden, sollen sie auch unter das Recht auf Reparatur fallen. Je mehr Produkte, desto einfacher für Verbraucher*innen, desto besser für Planeten.
- Wir Grüne konnten erreichen, dass wir einige unserer Forderungen für ein universelles Recht auf Reparatur in der Ausschussposition verankern konnten, zum Beispiel, dass Hersteller durch bestimmte Praktiken wie die Serialisierung von Ersatzteilen oder in Verträgen die Reparatur nicht weiter behindern dürfen oder dass sie bereits reparierte Produkte ablehnen für eine Reparatur.
- Bei der Gewährleistung konnten wir zwei große Vorteile für Verbraucher*innen rausverhandeln: Die Verlängerung der Gewährleistung um ein Jahr nach Reparatur des Produktes, was ein großer Anreiz wird, Reparatur zu wählen bei Defekt des Produkts. Und Verbraucher*innen können sich zukünftig direkt an die Hersteller wenden für die Reparatur des Produktes und müssen nicht mehr über den Händler gehen. Das nimmt Hersteller in die Pflicht und wird Anreiz, Produkte reparaturfreundlicher zu designen, wenn sie sie selbst reparieren müssen. Wir hätten uns bei der sogenannten Hierarchie der Rechtsbehelfe mehr gewünscht: Nur wenn Reparatur günstiger als Ersatz ist und nur, wenn die Reparatur keine „erheblichen Unannehmlichkeiten für die Verbraucher*innen“ bringt, soll Reparatur dem Ersatz vorgezogen werden. Für den Ressourcenschutz und um Reparatur zur Norm zu machen, hätten wir die Reparatur stärker priorisiert.
- Des Weiteren werden Mitgliedstaaten angeregt, über finanzielle Anreize (Voucher, Reparaturboni etc.) Reparatur zu stärken. Wir hätten uns noch ein System der erweiterten Herstellerverantwortung wie in Frankreich gewünscht, in dem die Hersteller gemeinsam für Reparaturen aufkommen.
- In den Verhandlungen gab es intensive Debatten um das Formblatt zur Information der Verbraucher*innen zur Reparatur. Die konservativ-liberale Seite konnte sich durchsetzen, es statt verpflichtend, wie es die Kommission vorgeschlagen hatte, es freiwillig auszugestalten – ein Einknicken vor der Industrielobby, die vor zu viel Bürokratie gewarnt hat. Das ist ein Rückschritt in der Verbraucherinformation. Dabei sieht die Ausschussposition bereits Erleichterungen für KMU vor, wie Training und Unterstützung bei der Umsetzung.
- Auch im Recht auf Reparatur sind wir auf die Frage von Online-Marktplätzen gestoßen. Leider ist es uns wie in anderen Dossiers auch nicht gelungen, eine Mehrheit zu finden, um sie stärker in die Verantwortung zu nehmen, wenn sie keinen wirtschaftlich Verantwortlichen benennen können, der für die Reparatur verantwortlich wäre. Somit bleibt ein Schlupfloch für Verbraucher*innen, die aus Drittstaaten online bestellen.