Pressestatement: Oberstes brasilianisches Gericht verteidigt die Rechte der Indigenen Bevölkerung

Gestern hat das oberste Gericht Brasiliens, der Supremo Tribunal Federal,  in einem Urteil das umstrittene Gesetz „Marco Temporal“ für verfassungswidrig erklärt.

Das Urteil kommentiert Anna Cavazzini, Grüne Europaabgeordnete und Vize-Vorsitzende der Brasiliendelegation des Europäischen Parlaments:

„Ich begrüße die Entscheidung des obersten Bundesgerichtshofs von Brasilien, dass der Marco Temporal verfassungswidrig ist. Damit dürfen die Landrechte von Indigenen nicht noch weiter eingeschränkt werden.

Die Entscheidung ist ein klares Bekenntnis zu Menschenrechten und ein Sieg für den Schutz der Wälder und damit unseres Klimas. Besonders in gefährdeten Ökosystemen in Brasilien leisten indigene Gruppen eine unerlässliche Arbeit zu ihrem Schutz.“

Hintergrund:

  • Der sogenannte „Marco temporal“ ist eine Rechtstheorie, die seit 2009 in Brasilien diskutiert wird und momentan noch kein Gesetz ist – nur eine Entscheidung von Gerichten auf bundesstaatlicher Ebene und vom ehemaligen Generalstaatsanwalt. Sie bedeutet, dass Indigene Völker nur dann Anrecht auf ein Territorium haben, wenn sie nachweisen können, dass sie 1988, zu dem Zeitpunkt, an dem die Verfassung geschrieben wurde, dort gelebt haben. Da viele indigene Gruppen allerdings von ihrem ursprünglichen Land vertrieben wurden, fehlt oft dieser Nachweis. Der Marco temporal würde so Landraub und Rohstoffausbeutung im Amazonas und anderen Gebieten Tür und Tor öffnen. Dagegen hatte das Volk der Xoclengues geklagt und dieser Fall wird aktuell vom obersten Bundesgericht behandelt. Neben dem Fall wird parallel auch ein Gesetz, welches noch von der Regierung Bolsonaros stammt, zum Marco Temporal im brasilianischen Senat verhandelt. Das Abgeordnetenhaus hatte das Gesetz bereits bestätigt.
  • Offiziell Indigenen Völkern zugesprochenes Land, darf nicht verkauft oder für den Bergbau genutzt werden. Studien zeigen, dass in indigenen Schutzgebieten die Entwaldung geringer ist. Indigene Gruppen leisten damit einen wichtigen Beitrag zu Biodiversitäts- und Klimaschutz. Insgesamt verfügt Brasilien über 732 Indigenen-Gebiete, die rund 14 Prozent des Staatsterritoriums ausmachen. Laut der UN, sind ca. 5% der Weltbevölkerung für 80% der Biodiversität zuständig.
  • Die Indigenen-Ministerin Sônia Guajajara nannte das neue Gesetz einen „gesetzlich verordneten Völkermord“. Indigene Gruppen protestieren seit Jahren gegen das Gesetz und warnen vor dessen Auswirkungen.