Pressestatement zur Aufhebung brasilianischer Umweltgesetzgebung

Zu den gestrigen Entscheidungen des brasilianischen Umweltrats zur Aufhebung wichtiger Umweltgesetzgebung erklärt Anna Cavazzini, Vizepräsidentin der Brasilien-Delegation im Europäischen Parlament:

„Es ist alarmierend und inakzeptabel, dass der brasilianische Umweltminister Salles den Abbau der Umweltgesetzgebung weiter schamlos vorantreibt, während das Land unter der Covid-Krise leidet und die Medien „abgelenkt“ sind, um seine Strategie mit seinen eigenen Worten zu beschreiben.

Während die Welt die rasante Zerstörung des Amazonas und des Pantanal beobachtet, gibt der sogenannte Umweltminister ungebremst weitere Ökosysteme der wirtschaftlichen Ausbeutung preis. In letzter Minute hat er eine Dringlichkeitssitzung anberaumt, um Resolutionen zum Schutz der brasilianischen Mangroven und Küstensandbänke aufzuheben.

Wir Europäer*innen sollten nicht so naiv sein anzunehmen, dass die EU hier keine Rolle spielen kann und machtlos ist. Salles wird von wirtschaftlichen Interessen bewegt. Profiteure seines Handelns sind insbesondere die brasilianische Agrarindustrie, großen Garnelenproduzenten und Hotelketten. Wir müssen kritisch prüfen, ob es europäische Unternehmen und Investoren gibt, die in diesen Fall verwickelt sind.

Gleichzeitig brauchen die Gemeinden und Organisationen in Brasilien, die für den Schutz ihrer Umwelt kämpfen, die volle Solidarität und Unterstützung der EU.“

Hintergrund:

  • Am 28. September hat der brasilianische Nationale Umweltrat (Conama) für die Aufhebung der Resolutionen 284/01, 302/02 und 303/02 gestimmt. Die Resolutionen erfüllten das in Art. 225, §4 der Bundesverfassung festgeschriebene Ziel: „Der brasilianische Amazonaswald, der Atlantische Wald, die Serra do Mar, der Pantanal Mato-Grossense und das Küstengebiet sind nationales Erbe, und ihre Nutzung wird in Form eines Gesetzes unter Bedingungen erfolgen, die die Erhaltung der Umwelt, einschließlich der Nutzung der natürlichen Ressourcen, gewährleisten“.
    • Resolution Nr. 303/2002: Die Resolution garantierte den Restinga- und Mangroven-Ökosystemen an der brasilianischen Küste einen besonderen Schutz. Seine Rücknahme kommt dem Immobiliensektor in den Vegetationsstreifen an den Stränden und den Bauern zugute, die in den Mangroven Garnelen züchten.
    • Resolution Nr. 284/2001: Mit der Aufhebung des Beschlusses werden die föderalen Kriterien für die Umweltgenehmigung von Bewässerungsbetrieben gestrichen, um das Genehmigungsverfahren auf Antrag eines Teils der Agrarindustrie zu beschleunigen. Die Erteilung von Bewässerungsgenehmigungen ist wichtig, da die Landwirtschaft einen sehr hohen Wasserverbrauch erfordert, was in einigen Regionen des Landes sogar zu Konflikten um Wasser führt und auch das Risiko einer Verunreinigung durch Pestizide birgt.
    • Resolution Nr. 302/2002: Die Resolution legte fest, dass künstliche Reservoirs einen Mindeststreifen von 30 Metern um sie herum als Permanent Preservation Area erhalten sollten. Durch den Widerruf werden diese Gebiete für Wohn- und Wirtschaftszwecke freigegeben, was die Sicherheit der Gebiete und auch die Qualität der Gewässer gefährden kann.
  • Der Nationaler Umweltrat wurde im Mai 2019 von Salles umstrukturiert, indem die Zahl der Sitze für die Zivilgesellschaft von 23 auf 4 reduziert wurde und ein größerer Anteil an föderalen gegenüber regionalen oder kommunalen Regierungen vergeben wurde. Der Rat wurde insgesamt von ca. 100 auf nur noch 23 Mitglieder reduziert, von denen 41% aus der brasilianischen Regierung kommen.