Pressestatement zur Untersuchung der LEAG-Entschädigungen durch EU-Kommission

Die EU-Kommission hat am Dienstag, 02.03.2021, eine Untersuchung der Entschädigungen, die die deutsche Bundesregierung den Energiekonzernen RWE und LEAG für den Kohleausstieg gewährt hat, eingeleitet. Nach einer aktuellen Untersuchung des Journalistenkonsortiums „Investigate Europe“ sollte die hohe Entschädigung künftige Ansprüche aus dem wenig bekannten Investitionsabkommen „Energiecharta-Vertrag“ ausgleichen. Die Journalisten kalkulieren, dass die Bundesregierung dem LEAG-Konzern eine Entschädigung angeboten hat, die etwa 50-mal höher war als die der Einschätzung vom Wirtschaftsministerium nach entstehenden Folgekosten durch den Ausstieg.

 

Anna Cavazzini, sächsische Europaabgeordnete von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, kommentiert:

„Wenn die Bundesregierung allein aus Angst vor möglichen Klagen Milliarden an Steuergeldern als Entschädigung an fossile Unternehmen fließen lässt, ist das ein Skandal. In Sachsen sind wir mit den Entschädigungen für den LEAG-Konzern direkt betroffen, da dringend benötigte Gelder für Klimaschutz an fossile Unternehmen ausgezahlt werden, die immer noch nicht bereit sind zu akzeptieren, dass die Klimakrise ein anderes Wirtschaften erfordert.

Der Energiecharta-Vertrag verkörpert die fossile Ära, die zu Ende gehen muss. Der Schutz aller Investitionen in fossile Brennstoffe muss sofort aus dem Vertrag entfernt werden, wenn es der EU mit ihren Klimazielen ernst ist. Wir müssen der Realität ins Auge sehen. Es ist höchste Zeit uns darauf vorzubereiten als Bundesregierung Deutschland und auch EU aus dem Vertrag auszutreten. Einige andere Mitgliedstaaten wie Frankreich und Spanien fordern dies bereits seit längerem.“

 

Hintergrund:

Nach Ansicht der Kommission könnten die Ausgleichszahlungen gegen die EU-Vorschriften für staatliche Beihilfen verstoßen. In ihrer Begründung für die Einleitung der Untersuchung hob die Kommission insbesondere Bedenken hinsichtlich der sehr weit in die Zukunft reichenden Entschädigung für entgangene Gewinne und der unklaren Methoden zur Berechnung der Höhe der entgangenen Gewinne hervor.
Der Kohleausstiegsvertrag zwischen dem Bund und den Energiekonzernen enthält folgenden Paragrafen: „Die Vertragsparteien sind sich einig, dass die Gesellschaften auf Forderungen und Ansprüche aus dem Energiecharta-Vertrag verzichten.“ Laut den Journalisten habe die Regierung LEAG auch so viel Geld gezahlt, weil sie Angst vor einer Energiecharta-Klage hatte.
Der Energiecharta-Vertrag (ECT) schützt derzeit Investitionen in fossile Energien. Er ermöglicht durch Schiedsverfahren Klagen gegen Staaten, die den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen vorantreiben. Erst Anfang 2021 geriet der Vertrag wieder in die Öffentlichkeit, da der Energiekonzern RWE Anfang Februar eine Klage gegen die Niederlande auf Entschädigung in Milliardenhöhe wegen ihres Kohleausstiegs eingereicht hat – auf Grundlage des im Energiecharta-Vertrag enthaltenen Investitionsschutzes.
Diese Woche findet eine Verhandlungsrunde zur Modernisierung des ECT statt. Die EU wird einen Vorschlag zur Änderung der Definition der unter den Vertrag fallenden Wirtschaftstätigkeiten vorlegen. Das würde ein teilweises Auslaufen des Schutzes von Investitionen in fossile Brennstoffe ermöglichen. Eine erfolgreiche Reform ist angesichts der erforderlichen Einstimmigkeit der Vertragsmitglieder sehr unwahrscheinlich.

– Pressemitteilung der EU-Kommission: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_21_972
– Untersuchung des Journalistenkonsortiums „Investigate Europe“:
https://www.buzzfeed.de/recherchen/energiecharta-vertrag-schiedsgerichte-europa-klimaziele-90214917.html
– Erklärung von über 280 Parlamentariern aus ganz Europa, die einen Ausstieg aus dem Energiecharta-Vertrag fordern, wenn die Bestimmungen über fossile Brennstoffe nicht sofort entfernt werden:
https://www.annacavazzini.eu/statement-on-the-modernisation-of-the-energy-charter-treaty/