Studie: Kontinuierliche Grenzkontrollen an deutschen Binnengrenzen verstoßen gegen Europarecht

Grenzkontrollen aufgrund irregulärer Migration einzuführen verstößt gegen unsere gemeinsamen Regeln für offene Grenzen in der EU. Dass die Kontrollen zwischen Bayern und Österreich seit der sogenannten Migrationskrise 2015 ununterbrochen andauern, macht sie nicht legal. Sie sind das beste Beispiel dafür, dass die Europäische Kommission endlich die Regeln im Schengen-Raum durchsetzen muss, damit Menschen ohne Einschränkungen von der Personenfreizügigkeit profitieren können.

Die schengenwidrigen Grenzkontrollen zwischen Bayern und Österreich können kein Vorbild für Sachsen sein. Besonders in Sachsen sind die Grenzregionen mit Polen und Tschechien eng verwoben. Sächsinnen und Sachsen leben, lieben und arbeiten selbstverständlich grenzüberschreitend. Dieses Miteinander ist der Kern europäischer Zusammenarbeit und Solidarität, die unsere Flüchtlingspolitik leiten sollte. Grenzen zu kontrollieren ist ein Schritt der Abschottung und schränkt die Lebensqualität vor Ort massiv ein.

Eine neue Studie von Dr. Daniel Schade, die von mir in Auftrag gegeben wurde zeigt: Die Ausweitung der bestehenden Grenzkontrollen Deutschlands zu Österreich auf die sächsischen Binnengrenzen sind genau wie die bestehenden Grenzkontrollen ohne neue Bedrohungslage europarechtswidrig.

Hier können Sie die Studie als PDF herunterladen

Zusammenfassung:

  1. Der Schengener-Grenzkodex legt die Regeln fest, nach denen die EU-Binnengrenzen offenbleiben und die Menschen in der EU von Freizügigkeit profitieren können.
  2. Nur in begründeten Ausnahmefällen und für eine maximale Dauer von sechs Monaten kann ein Schengen-Mitgliedsstaat bei Bedrohung der öffentlichen Ordnung temporäre, stationäre Grenzkontrollen durchführen. Dies kann durch eine Empfehlung des Europäischen Rates in Ausnahmefällen auf bis zu zwei Jahre verlängert werden.
  3. Erneute Kontrollen müssen durch den entsprechenden Mitgliedsstaat mit einer neuen Bedrohungslage begründet werden, als die nach sechs Monaten auslaufenden.
  4. Migration stellt allein keine begründete Bedrohung der öffentlichen Ordnung nach Schengener-Grenzkodex dar.
  5. Vor diesem Hintergrund verstoßen die seit der sogenannten Migrationskrise 2015 andauernden Grenzkontrollen an der Grenze zwischen Bayern und Österreich seit November 2017 gegen Europarecht.
  6. In der aktuellen Debatte um Grenzkontrollen an sächsischen EU-Binnengrenzen zu Polen und Tschechien aufgrund von Migration kann das Beispiel Bayern/Österreich daher nicht als Begründung herangezogen werden.
  7. Vielmehr verstießen Grenzkontrollen an den sächsischen EU-Binnengrenzen genau wie Kontrollen zwischen Bayern und Österreich gegen den Schengener-Grenzkodex.
  8. Gleichzeitig sind die negativen Folgen von Grenzkontrollen in den stark integrierten Grenzregionen Sachsens Menschen und Unternehmen auf beiden Seiten der Grenze aus der Pandemie mit kilometerlangen Staus noch in Erinnerung.
  9. Aufgrund politisch festgefahrener Situation zwischen der Europäischen Kommission und der Mitgliedsstaaten in Hinblick auf die Durchsetzung der Schengen-Regeln und der folgenlosen andauernden Grenzkontrollen zu Österreich ist nicht davon auszugehen, dass Deutschland mit Konsequenzen dieses Verstoßes rechnen muss. [Wie im Fall des im April 2022 ergangenen Urteils würde es einzelner Bürger*innen bedürfen, die dagegen klagen]
  10. Es bedarf einer Reform des Schengener-Grenzkodexes, der zwar in sehr gut begründeten Ausnahmefällen weiterhin die temporäre Einführung von Kontrollen ermöglicht, diese müssen jedoch zwangsweise zwischen den beteiligten Staaten koordiniert werden, und strengeren Kontrollen durch die Europäische Kommission unterliegen.