Trilog zum EU-Lieferkettengesetz – politische Einigung wegweisender Schritt für Menschenrechte

Heute am frühen Morgen haben sich das Europäische Parlament, der Rat und die Europäische Kommission auf einen vorläufigen Kompromiss für ein EU-Lieferkettengesetz geeinigt.

Anna Cavazzini, Grüne Verhandlerin im Handelsausschuss, kommentiert die Einigung wie folgt:

“Das EU-Lieferkettengesetz ist ein wegweisender Schritt für Menschenrechte. Endlich müssen europaweit Unternehmen Maßnahmen gegen Umwelt- und Sozialdumping in ihren Lieferketten ergreifen. Damit übernimmt die EU eine lang angemahnte Verantwortung für die weltweiten Auswirkungen unserer Handelspraktiken.

Künftig können Verbraucherinnen und Verbraucher in der gesamten Europäischen Union darauf vertrauen, dass sie mit ihrem Konsum von Schokolade oder Kaffee nicht Mensch oder Umwelt ausbeuten.

Die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten waren hart – auch aufgrund des massiven Lobbydrucks. Obwohl ich mir bei den Sorgfaltspflichten für den Finanzsektor und für den Klimaschutz mehr gewünscht hätte, geht das EU-Gesetz in vielen Teilen über das deutsche Gesetz hinaus. Diese europäischen Regeln schaffen nicht nur mehr soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit, sondern stärken besonders auch deutsche Unternehmen, indem sie faire Wettbewerbsbedingungen für den gesamten Binnenmarkt schaffen.

Dieses Gesetz kann bei einer sorgfältigen Umsetzung ein “game changer“ hin zu einer gerechteren Globalisierung werden.”

Hintergrund: Das deutsche Lieferkettengesetz gilt bereits seit Anfang dieses Jahres. Das EU-Lieferkettengesetz soll nun gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen auf dem EU-Binnenmarkt schaffen. Dieses Gesetz war vom Europaparlament selber sowie von einem breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis, sowie Unternehmen schon lange gefordert worden. Die Kommission hatte am 23. Februar 2022 ihren Vorschlag über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit vorgelegt. Darin werden verbindliche Vorschriften vorgeschlagen, die Unternehmen dazu verpflichten, Risiken für Menschenrechte, Gesundheit und Umwelt, die sich aus den Tätigkeiten in ihrer gesamten Wertschöpfungskette ergeben, zu ermitteln und zu beseitigen.

Das EU-Parlament hatte im Juni 2023 und der Rat der Europäischen Union im Dezember 2022 seine Position festgelegt. Heute Morgen konnten sie sich in Trilogverhandlungen auf einen gemeinsamen vorläufigen Kompromiss einigen. Hier sind die Details:

  1. Geltungsbereich:
  • Unternehmensgröße:
    • Alle Großunternehmen mit mindestens 500 Beschäftigten und 150 Millionen Euro Jahresumsatz. Für Nicht-EU-Unternehmen gilt sie, wenn sie innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten der Richtlinie einen Nettoumsatz von 300 Millionen Euro in der EU erwirtschaften. Die Kommission wird eine Liste der Nicht-EU-Unternehmen veröffentlichen müssen, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen.
    • Kleine und mittlere Unternehmen sind von der obligatorischen Anwendung ausgenommen, sollten aber zumindest in der Lage sein, die Richtlinie freiwillig anzuwenden, und zu diesem Zweck sind unterstützende Maßnahmen zu ergreifen.
  • Nach der heute erzielten Einigung wird der Finanzsektor vorübergehend vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen, doch wird es eine Überprüfungsklausel für eine mögliche zukünftige Einbeziehung dieses Sektors auf der Grundlage einer ausreichenden Folgenabschätzung geben. Die Zivilgesellschaft und wir Grüne hatten hier mehr gefordert, aber Frankreich hatte sich dagegen geweigert.
  1. Die Definition der Wertschöpfungskette: Hier haben sich Parlament und Rat auf den Begriff “Geschäftskette” geinigigt, die die vorgelagerten Geschäftspartner des Unternehmens und teilweise auch die nachgelagerten Tätigkeiten wie Vertrieb oder Recycling umfasst.
  2. Definition der Risiken und negativen Auswirkungen: Die Definition der negativen Auswirkungen auf die Menschenrechte konnte im Vergleich zum Kommissionsvorschlag leicht verbessert werden, indem beispielsweise ein Verweis auf die UN-Kinderrechtskonventition. Wir Grüne hatten uns besonders auch für die Aufnahme der Recht indigener Völker stark gemacht, die konnten allerdings leider nur als Erwägungsgrund reinverhandelt werden. Auch die Definition der negativen Umweltauswirkungen konnte im Vergleich zum Kommissionsvorschlag leicht verbessert werden. Dennoch hatten wir Grüne und auch die Zivilgesellschaft sich für eine deutlich ambitionierte Sprache ausgesprochen.
  1. Die Sorgfaltspflichten: Der Prozess selber spiegelt in der Struktur weitgehend das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz wider. Es gibt eine geschlossene Liste der geeigneten Maßnahmen und der Kompromiss enthält einige klare Ergänzungen vom Parlament, wie z.B. die Anpassung an die Geschäftsmodelle und Einkaufspraktiken. Bezüglich der Beendigung der Geschäftsbeziehungen wurden die vom Rat vorgesehenen Ausnahmen gestrichen.
  2. Priorisierung: Falls erforderlich, können die Unternehmen bei der Bewältigung verschiedener potenzieller und tatsächlicher negativer Auswirkungen Prioritäten setzen, indem sie eine Priorisierungsstrategie entwickeln, die letztendlich zur Bewältigung aller negativen Auswirkungen führen sollte. Dies muss im Einklang mit dem risikobasierten Ansatz der OECD und auf der Grundlage objektiver Kriterien geschehen. Diese Festlegung von Prioritäten ist allerdings lediglich ein Instrument zur Unterstützung der Erfüllung Sorgfaltspflichten und entbindet ein Unternehmen daher nicht von seinen Verpflichtungen oder seiner zivilrechtlichen Haftung.
  3. Einbeziehung von Interessengruppen: Das EU-Parlament hat sich sehr für die Einbeziehung von Interessengruppen in den Prozess eingesetzt. Die Vereinbarung sieht vor, dass die Unternehmen im Rahmen der Sorgfaltsprüfung eine sinnvolle Beteiligung, einschließlich eines Dialogs und einer Konsultation mit den betroffenen Interessengruppen, durchführen müssen.
  4. Zivilrechtliche Haftung und Zugang zum Recht: Unternehmen sollen für die Verursachung oder Mitwirkung an negativen Auswirkungen haftbar gemacht werden. Allerdings hatte gerade die FDP in Deutschland sich hier stark für Einschränkungen für Opfer, beispielsweise bei persönlichen Rechten gegenüber Gruppenrechten, Nachweis von Fahrlässigkeit oder Vorsatz eingesetzt. Das Parlament konnte jedoch eine Verbesserung für den Zugang zum Recht für Opfer wie zum Beispiel bei der Verlängerung der Verjährungsfristen auf 5 Jahre (das Parlament hatte allerdings 10 Jahre gefordert), bei der Offenlegung von Beweisen, bei Unterlassungsmaßnahmen und sowie bei einer Begrenzung der Verfahrenskosten für die Kläger erreichen.
  5. Sanktionen bei Verstößen: Rat und Parlament konnten sich auf eine Strafzahlung von mindestens 5 % des Umsatzes einigen.