Presseankündigung: Europaparlament stimmt über Gesetzesvorschlag zu entwaldungsfreien Lieferketten ab

Am 13. September stimmt das Europaparlament seine Position zum Gesetzesvorschlag für entwaldungsfreie Lieferketten ab. Am 12. September gibt es ab ca. 18:00 Uhr eine Aussprache im Plenum zu dem Thema. Dies kommentiert die Europaabgeordnete Anna Cavazzini, handelspolitische Sprecherin der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament und Berichterstatterin der Stellungnahme des Binnenmarktausschuss:

„Das Gesetz zu entwaldungsfreien Lieferketten ist ein Paradigmenwechsel: die EU schiebt importierter Entwaldung einen Riegel vor. Endlich! Denn Wälder sind die grüne Lunge unseres Planeten. Sie sind unverzichtbar für die Artenvielfalt und unser Klima und die Heimat von hunderten von indigenen Völkern. Doch die dramatische Abholzung gefährdet die Wälder der Welt. Weltweit gehen Wälder mit der alarmierenden Geschwindigkeit von 800 Fußballfeldern pro Stunde verloren. 

Europäische Unternehmen tragen dazu bei, indem sie Fleisch, Tierfutter und andere Produkte importieren, die andernorts zur Abholzung der Wälder geführt haben. Die Verordnung über entwaldungsfreie Produkte kann hier der game changer sein.  Ich freue mich, dass das Parlament auch auf Initiative von uns Grünen den Vorschlag der Kommission nachgeschärft. Nun müssen wir das Erreichte in den anstehenden Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten durchsetzen.“  

Hintergrund

  • Wälder sind Lunge und Lebenserhaltungssystem unseres Planeten, doch sie sind durch Abholzung und Waldschädigung ernsthaft bedroht. Im Amazonas sah man in der ersten Hälfte dieses Jahres wieder neue traurige Rekorde an entwaldeter Fläche. Dies trägt  durch erhöhte CO2 Emissionen und den Wegfall von Kohlenstoffsenken zur Zerstörung der Artenvielfalt und zur globalen Klimakrise bei. So ist Entwaldung allein für 11 % der Treibhausgasemissionen
  • Die EU ist einer der Hauptimporteure von Rohstoffen, die den größten Anteil an der weltweiten Entwaldung haben: Palmöl (25 % der weltweiten Einfuhren), Soja (15 %), Gummi (25 %), Rindfleisch (41 %), Mais (30 %), Kakao (80 %) und Kaffee (60 %). Studien zufolge verursacht die EU durch ihre Importe 16 Prozent der weltweiten Regenwaldabholzung.
  • Die Abholzung führt häufig auch zu Menschenrechtsverletzungen gegenüber der lokalen und indigenen Bevölkerung und trägt natürlich zu einem massiven Verlust an biologischer Vielfalt bei.
  • Der Kommissionsvorschlag für eine neue Verordnung zur „Entwaldung und Zerstörung von Wäldern – Verringerung der Auswirkungen von in der EU verkauften Erzeugnissen“ sieht eine Sorgfaltspflichtregelung für die gesamte Lieferkette vor. Ihr zufolge müssen die Importeure sowie große Händler der betreffenden Waren sicherstellen, dass die Waren auf eine Weise hergestellt wurden, die weder zur Entwaldung noch zur Waldschädigung beigetragen hat.
  • Der federführende Umweltausschuss des Europaparlaments hatte im Juli seine Position zu dem Gesetzgebungsvorschlag abgestimmt, wobei die meisten Kompromisse mit einer breiten Mehrheit angenommen wurden. Die Vertreter*innen der Mitgliedsstaaten haben im Umweltrat bereits im Juni ihre Position bestimmt, die Sie hier Mit der Abstimmung im Plenum nächste Woche bestimmt nun das gesamte Europaparlament seine Position, bevor dann die interinstitutionellen Verhandlungen mit dem Rat beginnen.
  • Der Gesetzesvorschlag der EU Kommission konzentrierte sich auf den Import von Rindfleisch, Kaffee, Kakao, Palmöl, Soja und Holz – sowie deren Folgeprodukte. Der Umweltausschuss hat den Geltungsbereich nun auf mehr Produktklassen ausgeweitet.  Wir gehen davon aus, dass auch das Plenum dem zustimmen wird und damit auch Kautschuk, Mais, Geflügel, Ziegen, Schweine, Schafe sowie Holzkohle und bedruckte Papierprodukte aufgenommen werden.
  • Kontrovers diskutiert wurde in allen Ausschüssen auch der Anwendungsbereich. So hat die Kommission vorgeschlagen, nur Primärwälder in den Geltungsbereich aufzunehmen, wobei ein großer Teil der Entwaldung auch in anderen Ökosystemen passiert. Der Umweltausschuss hat nun zwar nicht alle, aber immerhin andere bewaldete Flächen mit unter den Schutz der Regulierung gestellt. Außerdem  muss die Kommission, wenn es nach dem Willen des Umweltausschusses geht, innerhalb eines Jahres die Regulierung in Bezug auf die Inklusion anderer Ökosysteme überprüfen.
  • Auch die Aufnahme von Finanzinstitution mit in den Geltungsbereich war umstritten zwischen den Fraktionen und wurde im Umweltausschuss gegen den Wunsch des konservativen Berichterstatters durchgesetzt. Gerade ist also noch offen, welche Position sich im Plenum durchsetzt.
  • Die Verordnung ist risiko-orientiert, was bedeutet, dass die Kommission eine Klassifizierung der Länder auf der Grundlage des Risikos der Abholzung und der Zerstörung von Wäldern veröffentlichen wird. In Gebieten mit hohem Risiko wird von den Unternehmen eine größere Sorgfaltspflicht verlangt als in Gebieten mit geringerem Risiko. Das kann zu Schlupflöchern führen, weil Produkte von Ländern mit hohem Entwaldungsrisiko in solche mit niedrigem Entwaldungsrisiko umgeleitet und damit weniger kontrolliert werden könnten. Das Parlament will hier nachschärfen und diese Umgehung verhindern.
  • Auch will das Parlament für alle Risikostufen die Kontrollen im Vergleich zum Kommissionsvorschlag verbessern.
  • Im Vergleich zum Kommissionsvorschlag will das Parlament den Text im Bezug auf Menschenrechtsverletzungen, insbesondere der Verletzung der Rechte indigener Bevölkerungsgruppen, nachschärfen.