Pressemitteilung: Kommission schlägt Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit vor – eine Analyse

Heute wurde ein Leak des Gesetzesvorschlags der Europäischen Kommission für ein effektives Verbot von Produkten, die durch Zwangsarbeit hergestellt wurden, veröffentlicht. Es ist noch unklar, ob der Gesetzesvorschlag morgen oder übermorgen vorgestellt wird.

Dazu senden wir Ihnen erneut die Stellungnahme  der Europaabgeordneten und handelspolitischen Sprecherin der Grünen/EFA-Fraktion, Anna Cavazzini, zusammen mit einer Analyse des Kommissionsvorschlags:

“Es ist ein großer parlamentarischer Erfolg, dass die Europäische Kommission so zügig unserer Initiative gefolgt ist und  ein Instrument gegen Produkte aus Zwangsarbeit vorgelegt hat. Schließlich hatte das Parlament die Kommission fast einstimmig dazu aufgefordert. Denn der Handlungsdruck ist groß: Millionen von Menschen weltweit sind von Zwangsarbeit betroffen. Die von ihnen hergestellten Produkte landen oft in unseren Supermarktregalen, was europäische Verbraucherinnen und Verbraucher zu unfreiwilligen Komplizen macht.

So sehr ich die Initiative der Kommission begrüße – es ist bedauerlich, dass sich die Kommission nicht dem Modell des Europäischen Parlaments eines Einfuhrstopps angeschlossen hat. Lediglich sollen Güter nach der Feststellung von Zwangsarbeit vom Markt ausgeschlossen werden können, nicht schon bei dem Verdacht darauf. Entscheidend ist nun für die anstehenden Verhandlungen, dass der neue Mechanismus die Waren auch wirklich effektiv stoppt. Außerdem darf die Hürde der Beweislast für die Anschuldigung der Zwangsarbeit nicht zu hoch sein. Die Perspektive der Opfer von Zwangsarbeit dürfen wir niemals ausblenden. Dafür werde ich mich in den Verhandlungen im Europäischen Parlament einsetzen.” 

Hintergrund und Analyse: 

Schätzungen zufolge sind weltweit etwa 27,6 Millionen Menschen von Zwangsarbeit betroffen. Um dagegen vorzugehen, haben Anna Cavazzini und andere Europaabgeordnete die Einführung eines Verbots von Produkten aus Zwangsarbeit nach dem Vorbild der USA im Europäischen Parlament initiiert. Kommissionspräsidentin von der Leyen griff die Initiative vor einem Jahr in ihrer „State of the European Union” Rede auf. Das Europaparlament hat  im Juni dieses Jahres in einer Resolution im Detail dargelegt, wie ein solches Instrument aussehen soll.

Ein Leak des Gesetzesvorschlags wurde heute öffentlich. Auf Grundlage dieses Leaks senden wir Ihnen unsere Analyse:

  • Anwendungsbereich: Alle  Waren, die sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU mit Zwangsarbeit hergestellt, geerntet oder gewonnen werden, sind vom Gesetz erfasst. Es gibt keine generelle Ausnahme für kleine und mittelständische Unternehmen, was zu begrüßen ist.
  • Mechanismus und Rechtsgrundlage: Die Kommission schlägt ein Binnenmarktinstrument mit Handelselementen vor. Dazu muss die zuständige Behörde erstmal eine Untersuchung abschließen und dann erst dann können die Produkte gestoppt, dem Markt wieder entzogen oder vom Export ausgeschlossen werden. Dies kann zu Umsetzungslücken und Verzögerungen führen. Das Parlament hatte gefordert, die Produkte bei einem Verdacht so lange nicht auf den Markt zu lassen, bis bewiesen ist, dass sie nicht unter Zwangsarbeit hergestellt wurden. Nach der Rücknahme sollen die Produkte dann vernichtet werden.
  • Das Einreichen von Hinweisen: Zu unserem Erfreuen schlägt die EU-Kommission vor, dass alle interessierten Parteien, einschließlich Whistleblower, Hinweise zu Zwangsarbeit bei Produkten bei den zuständigen Behörden einreichen können. Auch müssen die Behörden den Personen oder Organisationen, die die Hinweise einreichen, Auskunft über das Ergebnis der Untersuchung geben. Die entsprechende Formulierung im Gesetzestext sollte im Parlament allerdings noch präzisiert werden.
  • Beweislast: Die Forderung des Europaparlaments: ähnlich wie in den USA sollten Unternehmen nach einem Hinweis von Zwangsarbeit nachweisen müssen, dass ihre Produkte frei davon sind. Die Kommission will nun stattdessen die Beweislast bei den zuständigen Behörden ansiedeln, was das Instrument abschwächen könnte, wenn die Hürden für die Beweislast sehr hoch liegen.
  • Sanktionen/ Rechtsmittel: Abgesehen von der Entfernung und der Zerstörung der Produkte vom Markt (z. B. durch Marktüberwachung) sind keine weiteren Sanktionen für den Hersteller oder den Importeur vorgesehen. Auch ist kein Mechanismus für Entschädigungen für die Arbeitnehmer*innen vorgesehen, was sehr zu bedauern ist und vom Parlament gefordert wurde. Wie gut dies funktionieren kann, sieht man an dem bekannten Fall des amerikanischen Unternehmens Top Glove, das 53 Millionen Ringgit (12,65 Millionen Dollar) an Entschädigungszahlungen für rund 10 000 ausländische Arbeitnehmer*innen aus Bangladesch, Nepal, Indonesien, Myanmar und Kambodscha zahlen musste.
  • Koordination zwischen den Mitgliedstaaten: Die Kommission schlägt weiterhin vor, dass die relevanten Durchsetzungsbehörden der Mitgliedsstaaten sich untereinander und mit der Kommission vernetzen und relevante Informationen austauschen.
  • Transparenz: Es ist zu begrüßen, dass die Kommission Informationen bezüglich der Produkte, bei denen Zwangsarbeit festgestellt und deren Verkauf gestoppt wurde, auf einer Webseite veröffentlichen soll.