Pressemitteilung: Parlament und Rat einigen sich auf Gesetz zu entwaldungsfreien Lieferketten

In der Nacht von gestern auf heute haben das Europäische Parlament und der Rat im Trilog eine Einigung über die Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten erzielt. Die neuen Vorschriften sind ein Herzstück des Europäischen Green Deals und wichtiger Baustein bei dem Ziel, die gravierenden Abholzungsraten weltweit zu bekämpfen. Die Verordnung legt Sorgfaltspflichten für Unternehmen fest, die Rohstoffe und Erzeugnisse auf dem EU-Binnenmarkt platzieren, damit diese nicht mehr zur Entwaldung beitragen.

Anna Cavazzini, handelspolitische Sprecherin der Grünen im Europäischen Parlament und Berichterstatterin der Stellungnahme des Binnenmarktausschusses, kommentiert:

„Die heutige Einigung  setzt neue Maßstäbe für den globalen Waldschutz. Endlich kann die EU importierte Entwaldung wirksam bekämpfen. Bis zuletzt haben Parlament und Rat hart um die Details des Gesetzes gerungen. Ich begrüße es, dass sich das Europaparlament durchsetzen konnte und Kautschuk in die Verordnung aufgenommen wurde, da dessen Produktion maßgeblich zur Entwaldung führt.

Und dennoch bedauere ich es, dass der Rat der Aufnahme von anderen bewaldeten Flächen und von Finanzinstitutionen in den Geltungsbereich nur in der Überprüfungsklausel zustimmen konnte.  Wir Grüne werden darauf pochen, dass andere bewaldete Flächen nach einem und Finanzinstitutionen nach zwei Jahren mit in die Verordnung aufgenommen werden.“ 

Hintergrund

  • Wälder weltweit sind von Abholzung und den Konsequenzen des Klimawandels bedroht. Im Amazonas sah man in der ersten Hälfte dieses Jahres wieder neue traurige Rekorde an entwaldeter Fläche. Dies trägt  durch erhöhte CO2 Emissionen und den Wegfall von Kohlenstoffsenken zur Zerstörung der Artenvielfalt und zur globalen Klimakrise bei. So ist Entwaldung allein für 11 % der Treibhausgasemissionen
  • Die EU ist einer der Hauptimporteure von Rohstoffen, die den größten Anteil an der weltweiten Entwaldung haben: Palmöl (25 % der weltweiten Einfuhren), Soja (15 %), Kautschuk(25 %), Rindfleisch (41 %), Mais (30 %), Kakao (80 %) und Kaffee (60 %). Studien zufolge verursacht die EU durch ihre Importe 16 Prozent der weltweiten Regenwaldabholzung.
  • Die Abholzung führt häufig auch zu Menschenrechtsverletzungen gegenüber der lokalen und indigenen Bevölkerung und trägt natürlich zu einem massiven Verlust an biologischer Vielfalt bei.

Inhalt der Einigung von Parlament und Rat

  • Produkte: Der Gesetzesvorschlag der EU Kommission konzentrierte sich auf den Import von Rindfleisch, Kaffee, Kakao, Palmöl, Soja und Holz – sowie deren Folgeprodukte. Nun wurde der Geltungsbereich auf mehr Produktklassen ausgeweitet.  Rat und Europaparlament konnten sich darauf einigen, auch Kautschuk, Holzkohle und bedrucktes Papier aufzunehmen. Bis zum Schluss war die Aufnahme von Mais und Palmölderivaten sehr umstritten, doch sie konnten darauf einigen, die meisten Palmölderivate in die Verordnung aufzunehmen und die Aufnahme von Mais sowie von anderen Produkten nach 2 Jahren zu überprüfen.
  • Definitionen: Bis zum Schluss wurde darüber verhandelt, welche Ökosysteme im Geltungsbereich der Verordnung sein sollten. So hat die Kommission nur Primärwälder vorgeschlagen, wobei ein großer Teil der Entwaldung auch in anderen Ökosystemen passiert. Leider haben Rat und Kommission die Aufnahme von anderen bewaldeten Flächen blockiert und nur einer Aufnahme in die Überprüfungsklausel zugestimmt. Auch die Aufnahme von anderen Ökosystemen wird in die Zukunft verschoben.
  • Finanzinstitutionen: Das Europaparlament hatte sich auch für die Aufnahme von Finanzinstitutionen mit in den Geltungsbereich eingesetzt, allerdings konnte es sich nicht erfolgreich damit durchsetzen. Dabei zeigen Studien, dass auch europäische Banken maßgeblich Projekte und Unternehmen finanzieren, die zur Entwaldung anderswo beitragen.  Der Finanzsektor scheint bei den Mitgliedsstaaten eine starke Lobby zu haben – bereits in der Ratsposition zum Lieferkettengesetz wurden Finanzinstutionen letzte Woche ausgespart. Nun wurden sie nur in die Überprüfungsklausel mit aufgenommen.
  • Kontrollen: Die Verordnung ist risiko-orientiert, was bedeutet, dass die Kommission eine Klassifizierung der Länder auf der Grundlage des Risikos der Abholzung und der Zerstörung von Wäldern veröffentlichen wird. Von der Klassifizierung der Länder ist die Anzahl der Kontrollen in den EU Mitgliedstaaten abhängig. So sollen die Mitgliedsländer  1% der Marktteilnehmer aus Ländern mit geringem Risiko kontrollieren, 3 % der Marktteilnehmer mit mittlerem Risiko und 9% der Produkte und Marktteilnehmer mit hohem Entwaldungsrisiko.
  • Simplifizierte Sorgfaltspflichten: Auch müssen die Marktteilnehmer bei Produkten und Rohstoffen aus Ländern mit geringem Risiko weniger Sorgfaltspflichten erfüllen und nur die Lieferkette und das Risiko einer Umgehung bewerten.
  • Sanktionen: Die Verordnung könnte sich als Papiertiger erweisen, wenn keine strengen und einheitlichen Sanktionen gegen Unternehmen verhängt werden, die sich nicht an das neue EU-Gesetz gegen die Abholzung von Wäldern halten. Es konnte sich aber darauf geeinigt werden, dass die Sanktionen einen Betrag der Geldbußen von „mindestens 4 %“ des Jahresumsatzes des Marktteilnehmers oder Händlers betragen sollen sowie möglicherweise auch die Beschlagnahmung von Produkten, Beschlagnahmung der Einnahmen des Betreibers aus dieser Transaktion, Ausschluss (maximal 12 Monate) vom Zugang zu öffentlichen Fördermitteln, ein vorübergehendes Verbot des Inverkehrbringens auf dem EU-Markt (auf der Grundlage eines Mandats des Europäischen Parlaments), ein Verbot der Anwendung der vereinfachten Sorgfaltspflicht (auf der Grundlage eines Mandats des EP) und die Veröffentlichung der Liste des Urteils mit den Namen der juristischen Personen (auf der Grundlage des Mandats des EP).
  • Menschenrechtsverletzungen: Die Umwandlung von Wäldern in landwirtschaftliche Nutzflächen ist oft mit Landraub, Gewalt und negativen Auswirkungen auf die Menschenrechte verbunden, insbesondere für indigene Völker. Die EU darf sich nicht an Menschenrechtsverletzungen mitschuldig machen, ebenso wenig wie an der Abholzung von Tropenwäldern. Deswegen haben gerade wir Grünen gefordert, dass unsere Unternehmen, die Produkte auf den EU-Markt bringen, verpflichtet werden, die Landnutzungsrechte zu respektieren, wie sie im internationalen Recht definiert sind. Auch wenn wir uns mehr erhofft haben, ist es gut, dass Rat und Parlament sich darauf einigen konnten, die Formulierung zu stärken und die Anwendung der internationalen Menschenrechte einzubeziehen.
  • Zugang zur Justiz: Menschen, die durch die Produktion von Rohstoffen oder Produkten, die auf den EU-Markt gebracht werden, geschädigt werden, wie Waldschützer und indigene Völker, die von ihrem Land vertrieben, vertrieben, angegriffen oder durch die Ausweitung der landwirtschaftlichen Produktion geschädigt werden, haben keine Möglichkeit, EU-Unternehmen für die Schäden im Zusammenhang mit ihren Lieferketten zur Rechenschaft zu ziehen oder Zugang zur Justiz in der EU zu erhalten. Deswegen ist es gut, dass der Rat sich hier bewegt und Zugang zur Justiz vereinfacht haben.
  • Stichtag: Beim Stichtag wurde sich auf 2020 geeinigt.

Presseanfragen richten Sie bitte an: anna.cavazzini@europarl.europa.eu

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