Pressestatement und Analyse der heute vorgestellten Überprüfung der EU-Handelspolitik

Heute hat die Europäische Kommission ihre Vision für die EU-Handelspolitik bis 2030 vorgestellt. Dazu erklärt die Europaabgeordnete Anna Cavazzini, handelspolitische Sprecherin der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament:

„Es ist allerhöchste Zeit, dass die EU-Kommission die Handelspolitik an die größten Herausforderungen unserer Zeit anpasst, allen voran die Bewältigung der Klimakrise. Die neue, grüne Rhetorik dieser Strategie für eine europäische Handelspolitik weist daher klar in die richtige Richtung und verschließt nicht länger die Augen vor den auch von uns mitverursachten massiven sozialen und ökologischen Problemen in globalen Lieferketten. 

So finden sich in der Strategie beispielsweise konkrete Vorschläge, wie die Welthandelsorganisation klimafest oder die Nachhaltigkeitskapitel in Handelsabkommen durchsetzungsstärker werden können. Besonders freue ich mich darüber, dass die Kommission unseren Grünen Vorschlag für ein Importverbot für Produkte aus Zwangsarbeit prüfen will.  

Das große Manko der neuen Handelsstrategie der Kommission: Die bestehenden und bereits ausverhandelten Abkommen sollen nicht angetastet werden, sodass die vielen klimaschädlichen Abkommen auf Jahrzehnte unberührt fortbestehen werden. Außerdem bleiben viele der konkreten Vorschläge zaghafte und vorsichtige Reförmchen. Hier hätte ich mir mehr Mut von der Kommission gewünscht für den großen Wurf!“

Analyse:

Die heutige Mitteilung der EU-Kommission ist das Ergebnis eines langen Konsultationsprozesses unter der Leitung von Handelskommissar Valdis Dombrovskis. Als Grüne hatten wir uns ebenfalls an dem Prozess beteiligt und eine grundlegende Neuausrichtung der EU-Regeln für einen faireren und nachhaltigeren Handel eingefordert. Insgesamt enthält sie aus unserer Perspektive viele begrüßenswerte Ansätze für den Übergang zu einer faireren und ökologischeren Handelspolitik, verbleibt aber oftmals bei Prüfauftragen und Absichtserklärungen.

Wir begrüßen besonders, dass die Kommission – vorbehaltlich einer Folgenabschätzung – wirksame Maßnahmen und Durchsetzungsmechanismen vorschlagen wird, um Zwangsarbeit den Wertschöpfungsketten der EU zu verhindern. Die Kommission stellt klar, dass die EU für importierte Produkte bestimmte Produktionsanforderungen verlangen sollte. Dabei hoffen wir darauf, dass die angekündigte Folgenabschätzung zu einem Vorschlag für ein neues Handelsinstrument für Importverbote für Produkte führen wird, die mit Zwangsarbeit in Verbindung stehen. Dieser Forderung haben wir Grüne erst letzte Woche durch eine Studie unterfüttert.

Darüber hinaus bewerten wir positiv, dass sich die Kommission dazu verpflichtet, das Pariser Abkommen zu einem wesentlichen Bestandteil künftiger Abkommen zu machen sowie ein Kapitel über nachhaltige Lebensmittelsysteme in künftige Freihandelsabkommen aufzunehmen. Dabei ist für uns jedoch entscheidend, dass diese Maßnahmen nicht nur für zukünftige Abkommen gelten sollten. Wir werden weiter dafür eintreten, die bestehenden Abkommen zu öffnen, um sie mit den Klimazielen in Einklang zu bringen. In der Überprüfung der EU-Handelspolitik schlägt die Kommission lediglich vor, dass Klimaneutralitätsziele nur für den Abschluss von Handels- und Investitionsabkommen mit G20-Ländern gelten sollen. 

Weiterhin ist aus Grüner Sicht sehr zu begrüßen, dass die Kommission eine Ex-post-Bewertung der Auswirkungen der EU-Abkommen auf wichtige Umweltaspekte, einschließlich des Klimas, durchführen wird – ebenfalls seit Langem Grüne Forderung. Allerdings brauchen wir einen konkreten Zeitplan und Klarheit darüber, was mit den Ergebnissen dieser Evaluierungen anschließend geschehen soll. Wir setzen uns dafür ein, dass sie zu einer dringenden Überprüfung bestehender Abkommen führen müssen. 

Die Durchsetzbarkeit der Nachhaltigkeitskapitel in Freihandelsabkommen war schon immer eines unserer Hauptanliegen. In diesem Zusammenhang ist es ein wichtiger Schritt, dass die EU die Möglichkeit von Sanktionen im Falle der Nichteinhaltung der Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung prüfen wird. 

Insgesamt verweist das Dokument zwar mehrfach auf die Bedeutung der Bekämpfung des Klimawandels und die Notwendigkeit eines grünen Übergangs und nachhaltiger Lieferketten, bleibt aber leider darauf konzentriert, was die EU-Handelspolitik zur Unterstützung des grünen Übergangs tun kann. Dieser Ansatz geht uns nicht weit genug. Der Handel spielt viel mehr als nur eine unterstützende Rolle, wenn es um Klimawandel und Nachhaltigkeit geht. Handelsabkommen können unsere Gesellschaften im Status Quo eines nicht-nachhaltigen Wirtschaftsmodells zementieren, oder aber die Transformation steuern.

Zu viele unserer Handels- und Investitionsabkommen schränken unseren politischen Handlungsspielraum ein, eine starke Klimapolitik zu betreiben. Im Falle eines Konflikts zwischen Handelsregeln und Klimamaßnahmen haben die Handelsregeln immer noch Vorrang. Die Überprüfung der EU-Handelspolitik rüttelt leider in keiner Wiese an dieser Hierarchie.