Turów: Polnische Unternehmen PGE beantragt offizielle Verlängerung der Abbaulizenz bis 2044

Wie gerade erst bekannt wurde, hat das polnische Staatsunternehmen PGE bereits am 17. November 2020 die offizielle Verlängerung der Abbaulizenz in der Grube Turów bis 2044 beantragt. Dazu kommentiert Anna Cavazzini, sächsische Europaabgeordnete von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

„Das ist nicht akzeptabel. Das polnische Unternehmen PGE führt uns – inklusive der Europäischen Kommission – alle vor. Völlig unbeeindruckt von Regeln und Verträgen der Europäischen Union schreitet der Staatskonzern voran.

Die Europäische Kommission bestätigte Mitte Dezember 2020, dass bereits durch die aktuelle Lizenzverlängerung um 6 Jahre EU-Recht verletzt wurde. Mehrere offizielle Beschwerden der angrenzenden Regionen wie Liberec und Sachsen sind bei der Europäischen Kommission eingereicht. Doch was ist die polnische Antwort darauf? Ein geheimer Antrag auf offizielle Lizenzverlängerung bis 2044 ohne die deutsche oder tschechische Seite zu informieren.

Genug ist genug. Die von der Europäischen Kommission geleiteten Gespräche zwischen Polen und der Tschechischen Republik haben ganz offensichtlich rein gar nichts gebracht. Der einzige jetzt gangbare Weg ist das Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen. Auch in Deutschland müssen wir endlich auf die Einhaltung der EU-Verträge gegenüber unserem polnischen Nachbarn bestehen. Nur gemeinsam schaffen wir den europäischen Kohleausstieg.“

Hintergrund:
Interne Dokumente weisen den Prozess zur Lizenzverlängerung bis 2044 für den Tagebau Turów aus. Die Öffentlichkeit, sowie die tschechische und deutsche Regierung, einschließlich der betroffenen Menschen vor Ort, wurden nicht informiert. Nachdem bereits der Raumordnungsplan angepasst und am 21. Januar 2020 eine positive Umweltverträglichkeitsprüfung in Polen erteilt wurde, erfüllt das Unternehmen PGE alle offiziellen Bedingungen um die entsprechende Lizenzverlängerung bis 2044 zu beantragen.

Das offizielle Dokument der polnischen Behörde mit Bestätigung eines neuen Prozesses. Auf Anfrage des Umweltministeriums Tschechiens wurde bestätigt, dass es sich dabei um die  Verlängerung der Lizenz bis 2044 für den Tagebau Turów handelt.
https://bip.mos.gov.pl/fileadmin/user_upload/bip/koncesje_geologiczne/ogloszenia/2021/2021-01-19_obwieszczenie_o_wszczeciu_i_przedluzenia_post_zm_konc_65_94_Turow.pdf

Auch die tschechischen Medien berichten bereits:
https://liberecka.drbna.cz/zpravy/spolecnost/25355-v-turowu-se-ma-tezit-az-do-roku-2044-nova-petice-zada-ceskou-vladu-aby-na-polsko-podala-zalobu.html

Problematisch ist die positiv beschienene Umweltverträglichkeitsprüfung vom 21. Januar 2020, die als Basis des aktuellen Antrags zur Lizenzverlängerung bis 2044 dient. Nur einen Tag nach der Frist zur Einreichung von Einwänden zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) wurde diese erteilt. Bis zum 20. Januar 2020 konnten Betroffene grenzüberschreitend Einwände einreichen. Insgesamt wurden mehr als 5000 Kommentare abgegeben, 40 davon auch von deutscher Seite. Darunter auch die Stadt Zittau. Am 20. März ging Zittau in Berufung gegen die UVP, da sie Ihre Einwände nicht als ordentlich beantwortet und hinreichend geklärt ansieht.
https://zittau.de/de/node/239630

Zudem liegt sowohl eine EU Beschwerde gegen Turów aus der Region Liberec als auch aus Sachsen vor. Beide Beschwerden werden derzeit von der Europäischen Kommission bearbeitet.

Besonders überraschend ist der Antrag auf Lizenzverlängerung bis 2044 in Anbetracht komplexer Verhandlungen zwischen Vertretern der tschechischen und der polnischen Seite. Diese Verhandlungen und Gespräche fanden durch die Mediation der EU Kommission statt, um eine Lösung für den internationalen Streit zu finden. Tschechien droht zur Klärung des Streits um den Tagebau Turów eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof einzureichen.